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Landeshauptstadt: Die vier Feinde des Sozialismus

Die Versorgungslage im Bezirk Potsdam in den 80er Jahren – von der Stasi dokumentiert

Stand:

DDR-Wirtschaft – das bedeutete Mangelwirtschaft, die sich in einer schlechten Versorgungslage der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen niederschlug. Dokumente der DDR-Staatssicherheit, die in der Potsdamer Außenstelle der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) gefunden und aufgearbeitet wurden, geben jetzt erstmals ausführlich Auskunft über die tatsächliche Versorgungslage im damaligen Bezirk Potsdam in den 80er Jahren. Wir möchten unseren Lesern diesen Einblick in eine nicht allzu entfernte Vergangenheit vermitteln. Teil 6: Winterdienst, Wärme, Wasser, Energie.

In einer Anekdote werden als die vier Feinde des Sozialismus die Jahreszeiten - Frühling, Sommer, Herbst und Winter - bezeichnet. Die sogenannte Heiz- und Winterbereitschaft gibt beredtes Zeugnis davon ab, dass zumindest letzterer Feind ein ernsthaftes Problem für die DDR-Energieversorgungswirtschaft darstellte. Daneben galt es aber auch Wasser und Kraftstoffe einzusparen, Versorgungsausfälle zu überbrücken und diverse Mängel zu beheben.

IM (Informeller Mitarbeiter der Stasi) „Zander“ informierte am 3. März 1986 über die Versorgungslage mit Brennstoffen bei den Heizwerken in Brandenburg/Havel. „Die Wärmeversorgung war ebenso wie die Gasversorgung trotz der strengen Kälte stabil. Probleme gibt es aber in der Versorgung der Bevölkerung mit Brennstoffen was den Bereich des Kohlehandels betrifft. Aber auch Kleinbetriebe sind davon betroffen. Die Direktbezieher von Brennstoffen wie Heizwerke und Kraftwerke werden relativ zuverlässig versorgt, wenn auch oft mit operativen Eingriffen. So haben wir gestern einen Kohlenzug, der für das Heizwerk Potsdam avisiert war, in Seddin abgefangen und umgeleitet nach Brandenburg, wegen Kohlemangel.“

IM „Helga“ reichte am 4. Mai 1987 Informationen zu Problemen in der Wärmeversorgung der Bezirksstadt Potsdam weiter. Einer ihrer Kollegen sollte bis zum 15. April 1987 eine Entscheidung über die Anbindung des Wohngebietes Zentrum Ost an die Heiztrasse zum Heizwerkskomplex Süd treffen. Denn: „In Auswertung des Winterbetriebes 1986/87 würde das eine enorme Erhöhung der Versorgungszuverlässigkeit für dieses Wohngebiet bedeuten.“ Allerdings sei „bis zum heutigen Tag dazu keine Entscheidung gefallen. Ein weiterer Terminverschub für den Baubeginn verhindert die Möglichkeit dieser Anbindung noch in diesem Jahr. Wir stehen dann im nächsten Jahr wieder vor den gleichen Problemen.“

Im Rapport des VEB Energiekombinates Potsdam vom 25. August 1987 zum Stand der Heiz- und Winterbereitschaft 1987/88 der Wärmeversorgungsanlagen wurde die Sicherung der Heizbereitschaft und der Wärmeversorgung unter Winterbedingungen durchgespielt. Da in den beiden Typenheizwerken besonders geprüfte Kesselwärter und Kranfahrer fehlten, konnte dem Besetzungsnormativ nicht entsprochen werden.

IM „D. Boden“ berichtete am 11. Februar 1988 aus dem VEB Energiekombinat über den Braunkohlebriketthaldenbrand in Potsdam Nord als einem operativ bedeutsamen Vorkommnis am 22. Dezember 1987: „Die von mir in diesem Zusammenhang erwähnten Störungen lassen sich neben vielen, die nicht mehr konkret wegen fehlender Eintragungen nachvollziehbar sind, auf folgende beschränken: Brand im Kohlebunker, Netztrennung eines Heizwerkes wegen Kohlemangel, Außerbetriebstellung des Heizwerkes Süd II wegen Wassermangel, kurze Zeit danach aber wieder betriebsbereit.“

Ein IM informierte am 28. September 1982 die HO BD (Bezirksdirektion) Potsdam über Probleme der Kraftstoffeinsparung: „Nach meiner Kenntnis ist der Kraftstoffverbrauch für das 3. Quartal bereits aufgebraucht. Probleme in der Sicherstellung der Versorgung sind mir nicht bekannt.“

Die ABI (Arbeiter- und Bauerninspektion) kontrollierte im Mai 1985 den Umgang mit Wasser in acht ausgewählten Betrieben der Stadt Potsdam. Die Kontrolle zielte auf „eine noch bessere leitungsmäßige Beherrschung der Probleme der rationellen Wasserverwendung“ ab. Zudem seien „Reserven zu erschließen und wirksam zu machen“ und „zum Kampf der Bezirksstadt Potsdam um den Titel Wasserwirtschaftlich vorbildlich arbeitendes Territorium'' beizutragen. Dabei konnten Reserven in Höhe von 113 Tm³ Wasser, 100 TM Kosteneinsparung, nachgewiesen und davon im Jahr 1985 95 Tm³ planwirksam gemacht werden.“

Am 9. Juli 1986 informierte IM „Zander“ zum Ausfall des Trafos im Umspannwerk Drewitz, dass vorgesehen sei, den Trafo am nächsten Tag wieder ans Netz zu nehmen, um die „Stabilisierung der Versorgung der Stadt Potsdam“ zu gewährleisten. Zwar gab es während der Störung keinen Versorgungsausfall, doch wäre dies halb so schlimm gewesen, denn: „Die beiden betroffenen Umspannwerke Waldstadt und Rehbrücke dienen nur der Bevölkerungsversorgung.“

Unser Autor Johannes Limberg ist in Babelsberg geboren, ist Student der Neueren und neuesten Geschichte, der Politikwissenschaften und Philosophie an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster. Derzeit hält er sich als Erasmus-Stipendiat an der Universität Bergen in Norwegen auf. Zuvor war er Praktikant in der Potsdamer Außenstelle der BStU. Die Außenstelle wird Ende dieses Jahres geschlossen.

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