
© Andreas Klaer
Potsdam hat gewählt: Die Weisheit der Potsdamer
Potsdam hat gewählt - wie geht es weiter mit der brandenburgischen Hauptstadt? Ein Kommentar von Peer Straube.
Stand:
Ein Gespenst geht um in Potsdam – das der Unregierbarkeit. Die Kommunalwahl hat Potsdam eine Stadtverordnetenversammlung beschert, die bunter ist als je zuvor – und kleinteiliger. Linke und SPD, seit der Wende die beiden Dominanten in der Stadtpolitik, bleiben vorn. Für ein rot-rotes Bündnis aber, mit dem auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geliebäugelt hatte, reicht es nicht. Eine Fortsetzung der bürgerlichen Rathauskooperation wäre zwar möglich, könnte sich aber nur auf eine hauchdünne Mehrheit stützen. Diese Allianz gegen die Linke funktionierte auch unter stabileren Mehrheitsverhältnissen oft mehr schlecht als recht. Haben die Potsdamer Potsdam unregierbar gemacht?
Das Ergebnis verdient einen genaueren Blick. Da wäre zunächst die Linke. Ja, sie hat Federn lassen müssen. Aber dennoch ist sie, 25 Jahre nach dem Mauerfall, abermals stärkste politische Kraft im Stadtparlament geworden. Zum dritten Mal in Folge hat sie die SPD geschlagen, obwohl die nicht nur das Land regiert, sondern seit der Wende auch ununterbrochen den Oberbürgermeister in Potsdam stellt. Dass den Linken dies in einer Stadt gelang, die seit Jahren kontinuierlich wächst, die einen steten Zustrom von Neu-Potsdamern erfährt und in der inzwischen Zehntausende Bürger leben dürften, die ihre Wurzeln in der alten Bundesrepublik haben – das ist erstaunlich. Und es ist eine Schmach für die SPD, denn es zeigt, dass viele Wähler den unbestrittenen Wohlstand der Landeshauptstadt auch linker Kümmer- und Korrekturpolitik zuschreiben. Man darf anmerken: Wäre der Stimmenbringer Rolf Kutzmutz noch einmal für die Linke in den Ring gestiegen, wäre der Sieg mit Sicherheit noch eindeutiger ausgefallen.
Für die SPD ist das Dauerabo auf den zweiten Platz so verdient wie dramatisch. Der Anspruch der Genossen ist meist größer als die eigene Leistung. Im Gegensatz zu früheren Zeiten kann sie sich ihrer Klientel nicht mehr sicher sein. Nach fast einem Vierteljahrhundert Herrschaft im Rathaus wünschen sich viele Potsdamer frischen Wind in der Stadtpolitik. Bürgernähe und Transparenz, vom SPD-Rathauschef über Jahre hinweg vernachlässigt, sind mehr denn je entscheidend dafür, wo die Wähler ihr Kreuzchen machen. So illustrieren die teils satten Gewinne für die kleineren Wählergruppen wie das Bürgerbündnis den Verdruss über sozialdemokratische Versäumnisse.
Gleiches gilt für die kräftigen Zuwächse, die CDU und Grüne verbuchen konnten. Derart zerstritten, wie sich beide Parteien zuletzt präsentiert hatten, dürften für den Wahlerfolg neben dem Hoch im Bund wie im Land Brandenburg wohl vor allem Zuzügler verantwortlich sein – die mit dem rot-roten Block und den wechselseitigen Spielchen nichts anfangen können. Das konservative und grüne Bürgertum sucht und findet seinen Gestaltungsraum, und das auch in der AfD – die einen nennenswerten Wahlkampf, bei dem es gar um Potsdamer Themen ging, nicht geführt hat. Die FDP? Sie ist in Potsdam nicht besser aufgestellt als im Bund oder im Land, abgehakt. Die Andere? Die Wählergruppe ist längst die eigentliche linke Opposition in Potsdam, wie das Trommeln gegen den symbolträchtigen Wiederaufbau der Garnisonkirche beweist. Sie zieht junge Leute an, denen die Linkspartei schon zu staatstragend geworden ist.
Und nun, wie weiter in Brandenburgs Hauptstadt? Der Wähler mag das Regieren für Jann Jakobs nicht einfacher gemacht haben in dieser Stadt, die vor großen Herausforderungen steht: Wohnungsmangel und Mietenexplosion, Verkehrsinfarkt, die Umgestaltung der Stadtmitte – all das ruft nach Lösungen. Doch es erfordert auch Kreativität, Blick über den Tellerrand, Mut zu neuen Wegen, zur Überwindung von Erstarrungen, Blockdenken und klein-kleinem Parteienzoff. Die Wähler haben Potsdams Stadtparlament auf die Höhe der Entwicklung der Stadt gebracht, die weiter ist, als ihre Vertretung bisher war. Das ist eine Chance. Der Oberbürgermeister hat es in der Hand: Statt auf Nummer sicher zu gehen und eine Krach-Kooperation der Altvorderen zu bilden, könnte er Mut beweisen und auf wechselnde oder ganz neue Mehrheiten setzen. Unregierbar ist die Stadt nicht geworden. Es ist Jann Jakobs’ Pflicht, das zu beweisen. Zum Wohle Potsdams.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: