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Momentaufnahmen. Der Fotograf Klaus-Dieter Zentgraf hat Kinder aus Indien, Sri Lanka, Ägypten, Kenia, Marokko, Syrien, Thailand, Kuba, Mongolei, Vietnam und Mexiko in ihrem Alltag fotografiert. In der Ausstellung sind 61 Bilder zu sehen.

© Sebastian Gabsch

Landeshauptstadt: Die Welt der Kinder

Der Fotograf Klaus-Dieter Zentgraf beschäftigt sich mit gesellschaftspolitischen Fragen

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Neugierig blicken die beiden Kinder in die Kamera. Seit Stunden spielen sie, nur mit einer Flasche und dem nassen Sand am Strand. Stecken ihre kleinen Finger in die Flaschenöffnung und wühlen sich durch den Matsch. Manchmal blicken ihre braungebrannten Gesichter, umrahmt von ihren nassen Haaren, neugierig in die Kamera. Bei ihrem Spiel lassen sie sich aber nicht stören.

Die Fotoserie ist Teil der Ausstellung „Kinder der Welt“ von Klaus-Dieter Zentgraf, die zurzeit im Foyer der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam gezeigt wird. Es ist eine seiner Lieblingsbilderserien. „Es sind wunderschöne Aufnahmen von Kindern, die versuchen, ihre Welt zu ergründen. Und das nur mit den Händen und nicht per Klick“, sagt der Fotograf, der in Wilhelmshorst lebt. Die Serie entstand 1994 an einem Strand in der Dominikanischen Republik. Zentgraf war davon fasziniert, wie die Kinder ihre Umwelt haptisch erforschen. Stundenlang schaute er ihnen dabei zu. Vier Filme hatte er dafür verschossen.

Die 61 Bilder in der Ausstellung zeigen Kinder aus Indien, Sri Lanka, Ägypten, Kenia, Marokko, Syrien, Thailand, Kuba, Mongolei, Vietnam und Mexiko. Es sind Momentaufnahmen, die den Alltag der Kinder darstellen. Sie zeigen die Kinder beim Lernen, Lesen, Spielen, Arbeiten oder Beten. Ein Kind spielt mit einer Wasserpumpe in den Slums irgendwo in Indien, ein kleines Mädchen in Ägypten blickt auf dem Arm seiner Mutter mit großen Augen in die Kamera, Kinder auf Kuba spielen mit einem Ball.

Der 66-Jährige ist viel gereist und hat von 1986 bis 2016 zahlreiche Bilder geschossen. Die Kinderporträts nehmen nur einen Teil der Themen ein, die ihn in all den Jahren immer wieder beschäftigt haben. Zeitgleich zur Ausstellung sind drei Bände seiner Fotografie unter dem Titel „Der leise Blick – 30 Jahre politische und soziale Fotografie“ mit insgesamt 1259 Bildern erschienen. Die beiden ersten Bände zeigen Porträts und das soziale Leben in den Ländern, die Zentgraf bereist hat – Menschen beim Musizieren, beim Lesen oder Rauchen. Der dritte Band beschäftigt sich mit der „steingewordenen Soziologie“ – mit der Stadt, Industriebauten oder sakralen Gebäuden.

1975 hat der gebürtige Erfurter angefangen im Jugendtourismus zu arbeiten. Später war er als EDV-Techniker tätig, hat ein Diplom in Staatswissenschaften gemacht und nebenbei ein Institut für Presse und Zeitgeschichte gegründet, mit dem er etwa 300 Ausstellungen zu verschiedenen soziologischen und politischen Themen erarbeitet hat. Seine ersten Fotos entstanden beim Reisen aus dem Moment heraus. Seine Fotografie hatte aber bereits früh konkrete Ziele. „Ich war mir aber gleich zu Beginn bewusst, dass ich eine bestimmte Richtung haben muss und dass ich es über viele, viele Jahre machen muss“, sagt Zentgraf. Seine Aufnahmen sind zeithistorische Dokumente, soziologische Studien, politische Aussagen und Kunst in einem.

Die Ausstellung ist als Gesamtkunstwerk gedacht und hat mehrere Ebenen, die den Besucher zum Nachdenken bewegen sollen, wie Zentgraf erklärt. Alle Bilder sind schwarz-weiß. Das hat mehrere Gründe. „Ich habe mich darin verliebt“, sagt der Fotograf. Hinzu komme, so Zentgraf, dass die Geschichte der Fotografie mit der Schwarz-Weiß-Fotografie begann. Somit will der Künstler seine Ausstellung auch als Reflexion über die Fotografie-Geschichte verstanden wissen. „Früher gab es Negative. Das gibt es heute nicht mehr.“ Digitale Aufnahmen hängen hier neben analogen. Teilweise wurden die Bilder ursprünglich in Farbe aufgenommen. Für die Ausstellung sind jedoch Abzüge in Schwarz-Weiß gemacht worden. Auch aus ästhetischen Gründen, um eine klare Linie zu verfolgen. Zentgraf kritisiert die neuen Techniken nicht, er zeigt nur auf. „Entscheidend ist nicht die Technik, sondern dass eine Geschichte erzählt wird.“

Die Ausstellung hat nicht nur eine soziologische Ebene, ist nicht nur Dokumentation der Gesellschaften und Menschen, die Zentgraf auf seinen Reisen fotografierte, sondern hat auch eine politische Aussage und soll Fragen in den Raum werfen. „Es geht mir um die Verantwortung der älteren Generation gegenüber der jüngeren Generation“, so der Fotograf. Dabei orientiert er sich an der These des Journalisten und Autors Sven Kuntze, der sich in seinem Buch „Die schamlose Generation: Wie wir die Zukunft unserer Kinder und Enkel ruinieren“ damit auseinandersetzt, was wir unseren Nachkommen für eine Welt hinterlassen wollen.

Vor einigen Jahren erlitt Zentgraf eine Hirnblutung. Auch eine Folge der vielen Arbeit. Danach musste er sich langsam wieder in sein Leben zurückkämpfen. Dennoch beschäftigt er sich weiterhin mit vielen gesellschaftspolitischen Fragen, wie auch die Ausstellung zeigt.

In einem seiner zahlreichen Projekte thematisiert er die Kulturlandschaft Eisenbahn. Seit etwa fünf Jahren dokumentiert er die Bahnhöfe in Brandenburg. Dafür ist er 200 000 Kilometer durch das Land gefahren und hat um die 10 000 Fotos gemacht. Dazu sind drei kulturpolitische Berichte erschienen, in denen Zentgraf das Sterben der Eisenbahn aufzeigt. In diesem Jahr hat er eine Petition an den Landtag und den Bundestag gestellt, in der er den Schutz der Kulturlandschaft einfordert.

Die Ausstellung „Kinder der Welt“ ist noch bis zum 28. Juli im Foyer der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam zu sehen

Sarah Stoffers

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