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Landeshauptstadt: Die wiedergefundene Kanzel

Die Nagelkreuzkapelle zeigt wiederentdecktes Inventar aus der Nachkriegskapelle in der Garnisonkirchenruine. Der Verein Mitteschön feiert demnächst die „Spur der Steine“

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Innenstadt - Die Mail kam im Januar: Bei Dachbauarbeiten in der Heilig-Kreuz-Gemeinde in der Kiezstraße war ein Zufallsfund gemacht worden. Eingepackt in Decken lagerten auf dem Dach der Taufstein, die Kanzel und die Liedtafel aus der ehemaligen Heilig-Kreuz-Kapelle, also der Kapelle, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Turmstumpf der zerstörten Garnisonkirche eingerichtet worden war, erzählt Cornelia Radeke-Engst, die Pfarrerin der Nagelkreuzkapelle. „Pfarrer Hartmut Nocke hat uns gefragt, ob wie Interesse daran haben.“ Das in vergleichsweise gutem Zustand erhaltene Inventar wechselte wenig später den Besitzer. Ab dem heutigen Samstag sind sie für zwei Wochen in der Nagelkreuzkapelle in der Breiten Straße zu besichtigen.

Auch auf dem Platz vor der Nagelkreuzkapelle ist es seit Freitag voller geworden: Teile der Garnisonkirchenfassade, die unlängst bei Bauarbeiten für das Bad am Brauhausberg gefunden worden waren, sowie eine Glocke, die aus Glockenresten der Garnisonkirche gegossen wurde, sind dort ab sofort unter freiem Himmel zu besichtigen. Bei einem Fest unter dem Motto „Spur der Steine“, zu dem der Verein Mitteschön am 7. August einlädt, sollen sie feierlich erleuchtet werden.

Denkbar schlicht sehen die aus Holz gearbeiteten Inventarstücke aus. Kanzel und Taufbecken werden jeweils von gedrechselten Beinen gehalten. Entworfen wurden die Stücke vom Kirchenbaurat Winfried Wendland, sagt Cornelia Radeke-Engst. Die Kanzel, das ist auf alten Fotos zu sehen, hatte zudem einen aus Ziegelsteinen gemauerten Fuß. Für Pfarrerin Radeke-Engst sind es wertvolle Zeugnisse einer oft übersehenen Epoche in der Geschichte der Garnisonkirche.

Am 18. Juni 1950 wurde die Kapelle im Turmstumpf der Garnisonkirchenruine eingeweiht. Vorangegangen waren Gespräche zwischen dem Kirchenbaurat und dem Stadtbauamt, so Radeke-Engst. Dokumentiert sei etwa ein Treffen aus dem Juli 1949, als man sich darauf einigte, die Steine des früheren Kirchenschiffes für den Wohnungsbau zu verwenden, den Turm aber zu erhalten. Die Hof- und Garnisonkirche hatte nach Kriegsende zwar ihre Rolle als Militärkirche verloren, aber noch eine Zivilgemeinde mit rund 1100 Mitgliedern.

Für den Neuanfang im Turm der Garnisonkirchenruine wurde auch ein neuer Gemeindename gesucht: Ursprünglich sei „Versöhnungskirche“ beantragt worden. Dagegen habe sich aber Bischof Otto Dibelius, der Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, ausgesprochen. Schließlich kam es zur Umbenennung in „Heilig-Kreuz-Kapelle“.

100 Plätze fasste die Kapelle im Turmstumpf, die nach Plänen des Kirchenbaurats und Architekten Winfried Wendland gebaut wurde. Originalinventar aus der Garnisonkirche wie das Schinkel-Kruzifix kamen dagegen in die Nikolaikirche – wo es bis heute sei. Die Fotografin Monika-Schulz-Fieguth aus dem Vorstand der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche, hat noch gute Erinnerungen an das jetzt wiedergefundene Inventar. Sie wurde in der Kapelle seinerzeit konfirmiert. „Die Erinnerungen sind gewaltig.“ Der letzte Gottesdienst dort fand am Abend des 2. Mai 1968 statt. Tags darauf wurde der Turmstumpf zum ersten Mal gesprengt, am 23. Juni wurde er bei einer zweiten Sprengung endgültig dem Erdboden gleichgemacht.

Das Gemeindeleben sei unter anderem von Jugendarbeit, Elterngruppen und Friedensarbeit geprägt gewesen, sagt Pfarrerin Radeke-Engst. An diese Tradition wolle man anknüpfen, betonte Peter Leinemann. Man wolle die Garnisonkirche als Lernort für kommende Generationen etablieren. Denkbar sei, auch das wiedergefundene Inventar der Heilig-Kreuz-Kapelle mit zu verwenden.

Der Wiederaufbau der Garnisonkirche ist umstritten. Die Gegner stören sich vor allem an der Rolle der Kirche beim „Tag von Potsdam“ 1933, als der Barockbau Schauplatz des von den Nazis inszenierten Schulterschlusses mit der preußischen Elite wurde. Kritik gibt es auch an der Verwendung öffentlicher Gelder. Ein von der Stadt in die Wege geleiteter Bürgerdialog geriet schon auf den ersten Metern wegen der Unvereinbarkeit der verschiedenen Positionen ins Stocken. Eine Baugenehmigung für den Turm gibt es bereits. Ein Baubeginn scheiterte bislang am fehlenden Spendenaufkommen. Die Garnisonkirchenstiftung rechnet nach wie vor mit Kosten in Höhe von 40 Millionen Euro für den Turm, wovon rund 24 Millionen bereits vorhanden seien, wie Peter Leinemann am Freitag sagte.

Gottesdienst in der Nagelkreuzkapelle am heutigen Samstag um 18 Uhr. Im Anschluss spricht der Architekt Christian Wendland um 19.15 Uhr über das Inventar. Beim Fest „Spur der Steine“ am 7. August wird 20 Uhr vor der Nagelkreuzkapelle ein Film über die Garnisonkirche gezeigt, ab 21 Uhr werden die Originalsteine der Kirche festlich beleuchtet

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