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Integriert? Vater Zoran hat einen Job, der siebenjährige Vule viele Freunde – doch der Behörde ist das nicht genug.

© Andreas Klaer

Drohende Abschiebung einer Roma-Familie in Potsdam: Die Zeit läuft

In wenigen Tagen endet die Duldung für Vule und seine Familie. Eine Petition soll die Abschiebung der Roma-Familie doch noch stoppen. Denn die Geschichte der Familie Brkić könnte ein Musterbeispiel für gelungene Integration sein.

Von Katharina Wiechers

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Potsdam - Die Kinder nennen die Nachbarn „Oma“ und „Opa“, der Vater hat einen Vollzeitjob, der ältere Sohn ist fast schon so was wie ein Star in seinem Sportverein – diese Potsdamer Flüchtlingsfamilie könnte als Musterbeispiel der Integration durchgehen. Doch weil die Brkićs aus Serbien kommen, sollen sie abgeschoben werden – ihre Heimat gilt vor dem deutschen Recht als „sicheres Herkunftsland“. Dass sie dort als Roma diskriminiert werden, zählt nicht. Und weil die sogenannte Duldung der Familie in wenigen Tagen, am 30. Juni, ausläuft und sie Deutschland dann verlassen muss, haben die Unterstützer der Familie nun eine Online-Petition gestartet. Sie hoffen darauf, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) die Abschiebung in letzter Sekunde stoppt. Oder sogar der Innenminister sich die Sache noch mal anders überlegt.

Kommission empfahl, die Abschiebung auszusetzen - doch Innenminister Schröter lehnte ab

Schon seit Monaten kämpfen das Stadtteilnetzwerk Potsdam-West und eine Potsdamer Breakdance-Gruppe wie berichtet dafür, dass die Brkics bleiben dürfen. Vor allem den siebenjährigen Vukain – genannt Vule – haben viele ins Herz geschlossen. Schon kurz nach der Ankunft der Brkićs in Deutschland Anfang 2014 wurde ihr Asylantrag vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) abgelehnt. Doch unter anderem wegen der Geburt von Vules kleinem Bruder Duan wurde die Abschiebung immer wieder ausgesetzt – die Familie erhielt eine sogenannte Duldung. Um aus der Duldung eine Aufenthaltserlaubnis zu machen, versuchten die Unterstützer der Brkićs, den Fall vor die Härtefallkommission des Landes Brandenburg zu bekommen – und schafften es, obwohl nur etwa zwölf Fälle pro Jahr dort verhandelt werden. Die Kommission prüfte und empfahl tatsächlich, die Abschiebung auszusetzen. Doch Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) lehnte ab – an Ostern wurde das bekannt.

Daraufhin sammelten die Unterstützer Geld für einen Anwalt, unter anderem bei Breakdance-Auftritten mit Vule. Der Anwalt wandte sich mit einem Antrag an die Potsdamer Ausländerbehörde – sie ist für die Durchführung der vom Bamf angeordneten Abschiebung zuständig. Der Anwalt berief sich in seinem Antrag auf einen Paragrafen (§ 25 Absatz 2) aus dem Aufenthaltsgesetz, der quasi Ausnahmen für „Ausreisepflichtige“ festlegt. Voraussetzung für eine solche Ausnahme ist, dass die Person in Deutschland verwurzelt und in ihrer Heimat entwurzelt ist. Offiziell entschieden ist über diesen Antrag noch nicht, aber aus einem Schreiben, das die Brkićs aus der Behörde bekommen haben und das den PNN vorliegt, geht hervor, dass er abgelehnt werden soll.

Ausländerbehörde: Keine gelungene Integration

Die Familie könne gar nicht in Potsdam verwurzelt sein, weil sie keine Aufenthaltserlaubnis, sondern nur eine Duldung habe, so die Argumentation der Ausländerbehörde. In ihrer Heimat Serbien seien sie hingegen sehr wohl verwurzelt, weil die Eltern zum Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland schon 28 beziehungsweise 34 Jahre alt waren und die „prägenden Ereignisse ihres Lebens“ in Serbien erfahren hätten. Von einer abgeschlossenen und gelungenen Integration könne ebenfalls keine Rede sein, da dies „allenfalls“ bei Ausländern der zweiten Generation denkbar sei, „die in Deutschland aufgewachsen sind und keinerlei Beziehung zum Herkunftsstaat der Eltern besitzen“.

Bei den Unterstützern sorgt das Schreiben für Kopfschütteln. „Ich bin mir sicher, dass es einige Mitarbeiter in der Stadtverwaltung gibt, die weitaus weniger in Potsdam verwurzelt sind als die Brkićs“, sagte Daniel Zeller. Er gehört zum Stadtteilnetzwerk Potsdam-West und hat die Online-Petition am vergangenen Samstag gestartet. Bis Dienstagmittag hatten schon über 900 Menschen unterzeichnet. Gerade für ihre Arbeit mit Flüchtlingen wurde das Projekt „Neue Nachbarschaften“ des Stadtteilnetzwerks mit dem Integrationspreis der Stadt ausgezeichnet. „Jetzt sollen die Früchte unserer Arbeit zunichtegemacht werden“, so Zeller. Der Oberbürgermeister müsse nun Farbe bekennen für eine tolerante Stadt – und nicht neue Nachbarschaften und Integration verhindern.

Nicht nur die Stadt, auch das Innenministerium könnte die Abschiebung noch stoppen. Schon vor einigen Wochen hatte der Minister angekündigt, sich den Fall noch einmal anzusehen. Ob er doch Gnade walten lassen will, war am Montag auf Anfrage nicht zu erfahren. Möglich ist es aber noch.

Update 22. Juni, 15 Uhr: Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) entscheidet, dass die Familie eine zweijährige Aufenthaltsgenehmigung bekommt.

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