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POSITION: Die Zivilgesellschaft stärken

Das Hochschulgesetz muss stärker auf die Zukunft ausgerichtet werden Von Volker Bley

Stand:

In der Diskussion zur bevorstehenden Novelle des brandenburgischen Hochschulgesetzes kommt mir ein wichtiger Punkt zu kurz. Eine der bedeutendsten Aufgaben der brandenburgischen Hochschulen, die Stärkung der Demokratie, steht nicht im Hochschulgesetz, sondern in der Verfassung des Landes Brandenburg. Dies ist aus meiner Sicht ein extrem wichtiger Gesichtspunkt für den akademischen Beitrag eines kleinen, aber sicher nicht unwesentlichen Teils des europäischen Hochschulsystems zur Entwicklung des 21. Jahrhunderts.

Die Eröffnung von neun neuen und freiheitlich verfassten Hochschulen nach der Wende in Brandenburg war Grundlage auch für die Stärkung der Zivilgesellschaft. Hierzu hat die regionale Verteilung der neuen oder neu formierten akademischen Einrichtungen maßgeblich beigetragen. Brandenburg hatte vorher kaum wissenschaftliche Einrichtungen. Die wissenschaftlichen Zentren und akademische Tradition in Ostdeutschland waren anderweitig verankert. Für Brandenburg war die Gründung der Hochschulen eine der entscheidenden – und in ihren Wirkungen in keiner Weise zu überschätzenden – Weichenstellungen für die Entwicklung des heutigen Landes Brandenburg. Ohne diese Entscheidung wäre Brandenburg eine akademische Diaspora. Das Land wäre auch zivilgesellschaftlich nicht gut für die kommenden Herausforderungen gewappnet gewesen.

Vor diesem Hintergrund sollte der Aspekt der Demokratierelevanz des Hochschulsystems auch im Hochschulgesetz zum Ausdruck gebracht werden. Dieser Wunsch ist nicht nur ein akademischer. Er ist vielmehr eine essenzielle Voraussetzung für die Hochschulentwicklung in den nächsten 25 Jahren. Der Entwurf zur Gesetzesnovelle enthält mit der Öffnung des Hochschulzugangs einen sehr begrüßenswerten Schwerpunkt. Aber er blendet – jedenfalls in seinen derzeitigen Stand – die eigentlichen Aufgaben, vor denen das brandenburgische Hochschulsystem steht, nämlich programmatische Ausrichtung auf das 21. Jahrhundert und Sicherstellung einer Finanzierung des Aufgabenkataloges, weitgehend aus.

Wir müssen verstehen, dass auch die akademischen Einrichtungen des Landes Brandenburg Beteiligte einer globalen Verhandlung über den zukünftigen Weg der Menschheit in allen Themenbereichen, auf allen Kontinenten und in allen Regionen sind. Hierauf müssen wir uns einstellen, damit wir die Studierenden in allen Disziplinen im Hinblick auf deren künftige Anforderungen sowohl in der Disziplin als auch als Mitglieder der Zivilgesellschaft ausbilden und das Land und seine Institutionen entsprechend beraten und stärken.

Die Entwicklung der Hochschulsysteme im 21. Jahrhundert wird inhaltlich insbesondere getrieben durch eine zunehmende thematische Vernetzung auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Hinzu kommt eine zunehmende Einbindung von nichtakademischen institutionellen Partnern in die Prozesse von Studium, Lehre, Forschung, Entwicklung sowie Fort- und Weiterbildung. Und nicht zuletzt die zunehmende Verfügbarkeit von strukturiert aufbereitetem Wissen im Internet, zum Teil kostenlos angeboten von international renommierten Hochschulen.

Ich glaube nicht, dass der Diskurs um diese neuen Anforderungen, der keiner nur innerhalb der akademischen Institutionen und der Trägerstrukturen der staatlichen Hochschulen des Landes sein kann, bereits hinreichend geführt worden ist. Dies wird auch deutlich daran, dass der aktuelle Gesetzentwurf den Aufgabenkatalog für die staatlichen Hochschulen unreflektiert lässt. Dies suggeriert, dass sich die Aufgaben der Hochschulen nicht verändert hätten und der Aufgabenkatalog auch für die Zukunft das Spektrum der Aufgaben der Hochschulen im Land Brandenburg richtig beschreibt. Problematisch wird dies, wenn die Hochschulen nicht ihrerseits ihre eigenen Aufgaben- und Zielkataloge als akademische Institutionen in ihren Grundordnungen überprüfen, beraten, diskutieren und überarbeiten. In diesem Sinne müssen sich die Hochschulen auch auf ihre institutionellen Stärken besinnen.

Hinzu kommt, dass die Finanzierung der Hochschulen den Anforderungen und Zielen angepasst werden muss. Offenkundig – und in der politischen Diskussion im Land auch weitgehend unbestritten – ist, dass die Finanzierung der öffentlichen Hochschulen des Landes Brandenburg, bei allen bisherigen Bemühungen der Landesregierung, die Finanzierung des öffentlichen Hochschulsystems mit rund 50 000 immatrikulierten Studierenden stabil zu halten, nicht ausreichend ist, um alle derzeit im Aufgabenkatalog genannten Aufgaben auch betreiben und erfüllen zu können.

Das Land wird erneut – anknüpfend an die Entwicklung 1991 – die Finanzierung der öffentlichen Hochschulen des Landes Brandenburg zu einer zentralen Aufgabe der Entwicklung des Landes und damit des Landeshaushaltes machen müssen. Ich verkenne keinesfalls, dass dies eine schwierige Aufgabe ist. Aber es wird notwendig sein, alle Mittel und Wege in Gang zu setzen, um zusätzlich einen dreistelligen Millionenbetrag jährlich für die Hochschulen zur Verfügung zu stellen. Dieses allein ist notwendig, um den rund 50 Prozent eines Jahrgangs, die richtigerweise den Weg in die Hochschulen finden, eine international konkurrenzfähige akademische Ausbildung auf den unterschiedlichen Niveaustufen zu ermöglichen. Und schließlich muss in unserer Gesellschaft – gerade auch vor dem Hintergrund der Öffnung des Hochschulzugangs – die Finanzierung der „Bildung nach der Schule“ insgesamt neu verhandelt werden.

Der Autor, Jahrgang 1961, war von 1993 bis 2011 Kanzler der Fachhochschule Potsdam. Zurzeit ist er an der FH mit Hochschulplanung beauftragt. Die Position gibt seinen persönlichen Standpunkt wieder.

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