Landeshauptstadt: Die zugereiste Kirche
Ausstellung über „Siedlung Eigenheim“ geplant
Stand:
Sie haben die Kirche nicht im Dorf gelassen – und deshalb steht die ehemalige Bergwerkskapelle aus dem Harzvorland heute in Potsdam: Vor 75 Jahren, im November 1934, wurde die Martin-Luther-Kapelle im Kali-Gruben-Dorf Tarthun bei Staßfurt im Harz abgebaut und am Rande der „Siedlung Eigenheim“, heute Am Försteracker 1, wieder errichtet. Die Siedlung war in den 1920er Jahren nach den Vorstellungen des Berliner Bodenreformers Adolf Damaschke in Potsdams Süden entstanden.
Mit der nicht unproblematischen Geschichte der Siedlung zwischen der Heinrich-Mann-Allee und den Ravensbergen hat sich eine Gruppe heutiger Bewohner in den vergangenen Monaten beschäftigt: Sie recherchierten etwa im Landeshauptarchiv und befragten Bewohner nach Erinnerungen und Dokumenten, erklärt Waldtraut Schmidt, eine der Engagierten. Die Ergebnisse sowie historische Fotos aus der Siedlung sollen ab dem Pfingstwochenende im Haus der Auferstehungsgemeinde, Am Plantagenhaus 11, ausgestellt werden.
„Hier hat ein Experiment stattgefunden“, sagt die 82-jährige Waldtraut Schmidt. Anfang der 1920er Jahre habe die Potsdamer Gruppe des „Bundes Deutscher Bodenreformer“ das Areal an der Saarmunder Chaussee von der Stadt erworben. Es wurde dann in gut 270 Parzellen von jeweils 1250 Quadratmetern Größe geteilt, die für damals 5000 Mark an die Bewerber verkauft wurden. Wer welche Parzelle bekam, sei allerdings verlost worden, erklärt Waldtraut Schmidt.
Häuser, aber auch Straßen, entstanden dann zum großen Teil in Eigenarbeit. Zum „Bodenreformgedanken“ habe auch eine gesunde Lebensweise, etwa ohne Alkohol, gehört. In den ersten Jahren des Bestehens habe auch ein gemeinsames „Sommerfest“ der „Eigenheimer“ Tradition gehabt, berichtet Jörg Bernatzki, der sich wie Waltraudt Schmidt mit der Geschichte der Siedlung befasst.
Unter den ersten Bewohnern der Siedlung befanden sich den Recherchen zufolge viele Handwerker, aber auch Händler, ein Zahnarzt, ein Zeppelin-Kapitän, der aus dem Rheinland nach Potsdam kam, zwei Friseure, ein Gärtner und zwei Gaststättenbetreiber. Er sei auf ein Foto gestoßen, dass den Besuch Adolf Damaschkes in der „Siedlung Eigenheim“ belegt. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 sei die Siedlung allerdings gleichgeschaltet worden, sagt Bernatzki.
Heute hat sich die Zahl der Gebäude in der Siedlung auf etwa 370 erhöht. Das Sommerfest sei vor einigen Jahren von der jüngeren Generation wieder ins Leben gerufen worden: „Wir sehen das wohlwollend“, sagt Bernatzki.JaHa
Kontakt zur Eigenheim-Gruppe bei Waldtraut Schmidt unter Tel.: (0331) 87 14 149 oder per Mail an jobe@gmx.de.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: