Landeshauptstadt: Die Zuhörerin
Kerstin Maaß sagt, dass Frauen sich Kummer von der Seele reden und Männer eher schweigen
Stand:
Wie trinkt Ihre Chefin ihren Kaffee?
Mit Milch.
Was für eine Art Chefin ist sie?
Eine angenehme. Nett, zuvorkommend, hilfsbereit. Und sie lässt mir bei vielem freie Hand.
Wie bedankt Sie sich bei Ihnen für besondere Einsätze, zum Beispiel Überstunden?
Ganz normal mit einem Danke. Wenn mehr gearbeitet werden muss, sind wir Leidensgenossinnen.
Charakterisieren Sie sie als Mensch.
Meine Chefin hat ein sehr, sehr, sehr großes Herz, manchmal viel zu groß. Und es schlägt vor allem für Kinder. Außerdem ist sie ein sensibler Mensch, getarnt unter dickem Fell.
Woran erkennen Sie, dass sie schlechte Laune hat?
Das ist nicht schwer. Sie sagt dann ganz deutlich: Heute ist nicht mein Tag.
Duzen oder siezen Sie ihre Chefin?
Wir duzen uns. Das ist noch aus einer Zeit, als sie noch nicht meine Vorgesetzte war. Und dabei haben wir“s gelassen, wäre auch albern.
Skizzieren Sie einmal kurz Ihr Arbeitsfeld. Was gehört alles zu Ihren Aufgaben?
In erster Linie Terminkoordinierung, bis hin zum Zahnarzttermin für die Chefin; Telefondienst, Post und Schriftverkehr. Aber auch die Organisation von Festen wie die Weihnachtsfeier für die Mitglieder des Vereins gehört zu meinen Aufgaben. Ebenso die Vor und Nachbereitung von Sitzungen zum Beispiel des Vorstands, darunter fällt auch der Kaffee- und Gebäckkauf.
Wie viele Anrufe bekommen Sie täglich?
Das ist ganz unterschiedlich. Ich habe noch nie eine Strichliste geführt. Eines aber ist sicher: Freitags nach Eins wird es immer ruhig, dann schafft man was weg.
Welche berühmten Persönlichkeiten hatten Sie schon in der Leitung?
Günther Jauch. Das war eine sehr angenehme Begegnung. Die AWO hatte angefragt, ob er eine der Reden zur Jugendweihe halten könne. Er rief an, um abzusagen. Aber nicht einfach so. Er wollte seine Absage auch begründen. Günther Jauch erklärte mir, dass er aus einem christlichen Umfeld stamme und mit der Tradition der Jugendweihe nicht vertraut sei. Und er wolle nicht zu etwas reden, das er nicht kenne. Das fand ich beeindruckend, dass er persönlich anrief und seine Absage begründete.
Was muss ein Anrufer auf dem Herzen haben, damit Sie ihn sofort zur Chefin durchstellen?
Wenn Leben und Tod dran hängen, verbinde ich sofort.
Wann wimmeln Sie einen Anrufer ab?
Gar nicht. Wenn jemand meine Chefin sprechen will und sie anwesend ist, dann geht das auch.
Sie sind ja eine Art Schaltzentrale. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, mit welchem Anliegen Sie ihre Chefin behelligen und mit welchem nicht?
Einen Kriterienkatalog habe ich nicht. Aber wenn ich das Gefühl habe, es sind Lapalien. Zum Beispiel, wenn jemand ein Fahrzeug der AWO gesehen hat, das angeblich zu schnell unterwegs war oder falsch geparkt hat, kläre ich das intern. Damit muss ich die Chefin nicht behelligen.
Was sagen Sie, wenn die Chefin „für niemanden zu sprechen“ ist?
Dann ist sie „im Termin“.
Welcher war der ungewöhnlichste Wunsch, der über Sie an ihre Chefin herangetragen wurde?
Da muss ich passen.
In welchem Fall wäre ihre Chefin ohne Sie verloren?
Ohne meine Terminplanung. Das würde ihren Tag in ein Chaos stürzen.
In welchen Fällen fragt sie Sie nach ihrer Meinung? Nimmt ihre Chefin Kritik von Ihnen an?
Sie fragt häufig, wie würdest du entschieden, wie würdest du das machen, auch wenn sie dann ganz anders entscheidet. Aber offensichtlich hilft ihr der Austausch bei der Entscheidungsfindung.
Und Kritik?
Ich habe nicht viel zu kritisieren.
In welcher Situation braucht Sie ihren Trost?
Wenn mal was nicht so läuft, dann will sie sich das von der Seele reden. Ich könnte mir vorstellen, dass Männer mehr mit sich selbst ausmachen, als weibliche Chefs.
Kennen Sie den Hochzeitstag ihrer Chefin?
Den muss ich nicht kennen. Sie ist geschieden.
Haben Sie beim Vorstellungsgespräch gleich gemerkt, dass die Chemie zwischen ihnen stimmt?
Ich hatte das Vorstellungsgespräch bei ihrer Vorgängerin.
Mussten Sie in ihrem Arbeitsvertrag unterschreiben, dass Sie nicht von dem nach außen tragen, was Sie an Geheimnissen im Büro erfahren?
Ja. Und das gilt auch über die Beschäftigungsdauer hinaus.
Ist die Bezeichnung Sekretärin eigentlich noch zeitgemäß oder wie würden Sie ihren Job bezeichnen?
Ich tituliere mich nicht als Sekretärin. Nicht, dass ich das doof fände. Aber lieber ist mir Büroleiterin der Geschäftsführung. So steht es auch in meinem Vertrag.
Das Gespräch führte Nicola Klusemann
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