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Landeshauptstadt: Die zwei Gesichter des „Waschhaus“

Antirassistisches Fußballturnier und Disko mit teilweise rechtem Publikum an der Schiffbauergasse

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Berliner Vorstadt - „Eigentlich kotzt es mich hier an“, sagt der junge Mann – und tanzt dabei. Es ist Donnerstag, drei Uhr morgens, im „Waschhaus“ in der Schiffbauergasse läuft laute Rockmusik. Früher ist er lieber zu solchen Partys gekommen, sagt der junge Mann. Jetzt aber könne seine Freundin, eine Chinesin, nicht mehr mit ins „Waschhaus“ bringen. Sie werde schief angeguckt. Und er habe Angst um sie: „Wegen all den Nazis.“ In einem Jugendhaus, das sich als multikulturell begreift und Fördergelder bekommt? In dem Menschen mit dunkler Hautfarbe tanzen und Linksalternative? Doch was der junge Mann sagt, ist keine Einbildung. Ein paar Typen, die in dieser Nacht bei der rappelvollen „Klub Color“-Party sind, tragen rechte Lifestyle-Klamotten: „Thor Steinar“, „Alpha Industries“. Sie trinken Alkohol. Und schubsen sich – wohl im Spaß. Aber ist das „Waschhaus“ deswegen ein Haus, in dem immer öfter rechtsextreme Jugendliche feiern, besonders mittwochs und sonnabends bei den großen Partys, unbeachtet von den Türstehern? Dies wurde zumindest bei zwei linksalternativen Demos in diesem Jahr öffentlich angeprangert.

Szenenwechsel, sechs Stunden vorher, das andere Gesicht des Jugendzentrums. Gerade beginnt das erste antirassistische Fußballturnier vor dem „Waschhaus“. Die 16 Mannschaften sind aus allen Jugendclubs der Stadt gekommen. In jedem Team spielen vier Männer – oder auch Frauen. Die veranstaltende Landessportjugend hat die Wettbewerbsregeln so modifiziert, dass die Mannschaften mit mindestens einem weiblichen Mitspieler von vornherein mehr Punkte bekommen. Dazu wird die fairste Mannschaft gesucht. „So können wir den Titel gar nicht gewinnen, weil bei uns kein Mädchen mitspielt“, sagt Dadali Jawed. Er ist Chef des International Kickers Teams: Dunkelhäutige Migrantenjungs, die atemberaubend leichtfüßigen Fußball spielen. Viel Beifall erhalten sie dafür. Sie freuen sich. Doch der 18-jährige Dadali kennt auch das andere Potsdam. Aber das macht ihm nichts aus, sagt er: „Bei doofen Sprüchen gibt dann halt der Klügere nach.“ Ein Teamkollege von ihm meint dagegen: „Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt.“

Um es zu Hass und Gewalt gar nicht erst kommen zu lassen, hat Jörg Schneider von der Brandenburgischen Sportjugend das Turnier organisiert. Es ist Teil des seit 1990 bestehenden „Integration durch Sport“-Projekts. „Wir versuchen, die Jugendlichen über den Sport zu einem Miteinander kommen zu lassen“, erklärt Schneider. Den Abend im Waschhaus – bis 24 Uhr dauert das Turnier – empfindet Schneider als Erfolg. Trotzdem bleibt unwidersprochen, als ein Fan des späteren Siegerteams, den „Rehbrücker Jungs“, laut und vernehmlich sagt: „Türkistan müssen wir schlagen.“ Gemeint ist das Team von Dadali Jawed.

Fehlende Zivilcourage gegen alltäglichen Rechtsextremismus im „Waschhaus“? Das hat auch die frühere Besucherin Nadja schon erlebt. Bei einer Technoparty vor ein paar Monaten kamen plötzlich ein paar aggressiv wirkende, angetrunkene Jugendliche auf die Tanzfläche. „Einer gröhlte ,Sieg Heil“ und hob den rechten Arm“, erinnert sich Nadja. Sie und ihre Freundin seien deswegen zu den Türstehern gegangen und hätten sich beschwert. „Sie sagten uns, dass so ein Verhalten eben freie Meinungsäußerung ist – sie könnten da nichts machen.“ Nadja und ihre Freundin gingen nach Hause. Seitdem ist Nadja nicht mehr im „Waschhaus“ gewesen.

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