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Prominente Hilfe für Flüchtlinge in Potsdam: Diekmann hilft
"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann hat eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien bei sich zu Hause in der Berliner Vorstadt aufgenommen. "Nicht jeder hat ein großes Haus, aber jeder kann Verantwortung übernehmen", sagt er.
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Potsdam - Einer der prominentesten Potsdamer hat eine Familie aus dem syrischen Kriegsgebiet bei sich zu Hause aufgenommen: „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann hat in einem Interview in der türkischen Zeitung „Hürriyet“ publik gemacht, dass er und seine Familie seit einigen Wochen einen Syrer und seine zwei Kinder in ihrer Gästewohnung untergebracht haben. Diekmann lebt mit seiner Ehefrau Katja Kessler und vier Kindern in der Berliner Vorstadt; er ist ein begeisterter Potsdamer.
Auslöser für die Entscheidung sei ein Ereignis im Sommerurlaub gewesen, sagte Diekmann der türkischen Zeitung. Er sei mit seiner Familie und seinem türkischen Freund Ertugrul Özkök – ehemals Chefredakteur der „Hürriyet“ – im türkischen Bodrum und auf der griechischen Insel Leros gewesen. Auf dem Weg in ein Restaurant auf Leros habe er Hunderte Menschen vor einer Polizeiwache gesehen. Er habe sich hilflos gefühlt, so Diekmann, und er habe etwas tun wollen. Zwei Tage später habe er mit seiner Familie entschieden, zu Hause in Potsdam Flüchtlinge aufzunehmen. Ein „Bild“-Reporter, der häufig nach Syrien reise, habe den Kontakt hergestellt. Er habe keine Ahnung gehabt, wer zu ihnen komme, so Diekmann.
Er habe sich hilflos gefühlt, sagt Diekmann, und er habe etwas tun wollen
Der Syrer Mounes Alani, der nun bei Diekmanns wohnt, stammt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er ist Bauingenieur. 2011 sei er mit seiner Familie zunächst nach Ägypten, dann nach Libyen geflüchtet, erzählt er in dem Interview. Als die Lage dort ebenfalls gefährlich wurde, habe die Familie nach Europa flüchten wollen. Bei der Überfahrt sei seine Frau gestorben – die Schleuser hätten einen Motorschaden des mit 624 Menschen besetzten Schiffes vorgetäuscht, um Rettungsboote anzulocken. Als diese kamen, hätten sich alle Menschen an Bord in Panik auf eine Seite des Schiffes bewegt, es sei umgekippt. Er sei geschwommen, seine Kinder hätte sich an ihm festgekrallt, aber er habe seiner Frau nicht helfen können. Auch seine Kinder habe er verloren gehabt und erst auf dem Festland wieder gefunden.
Aktuell wollte Diekmann sich auf Anfrage zu dem Interview, über das auch der Medienbranchendienst „Kress“ berichtete, nicht äußern. Den türkischen Reportern schilderte er jedoch detailreich, wie er und seine Familie mit der Situation zurechtkommen. So habe er klare Regeln aufgestellt, dem streng religiösen Syrer Alani beispielsweise deutlich gemacht, dass er Alkohol trinke und auch Schweinefleisch zubereitet werde. Gelegentlich esse man gemeinsam. Die beiden Kinder aus Syrien besuchten mittlerweile die gleiche katholische Schule wie Diekmanns Kinder. Seine große Tochter habe die Rolle einer Schwester für die beiden Flüchtlingskinder übernommen, das freue ihn.
Die 600 Euro, die Potsdam ihm monatlich zahlen wollte, hat er abgelehnt
Die 600 Euro, die die Stadt Potsdam Diekmann für die Unterbringung der Flüchtlinge monatlich zahlen wollte, habe er abgelehnt. Insgesamt nimmt die Landeshauptstadt in diesem Jahr 2200 Flüchtlinge auf – allerdings sind die wenigsten von ihnen bei Privatleuten untergebracht (PNN berichteten). Die Stadt unterstützt dies zwar und hat rund 50 Angebote bekommen, weiß allerdings nur von drei Flüchtlingen, die bei Potsdamern wohnen.
Im Interview, das er offenbar bewusst in der Türkei gegeben hat – das Land hat bereits rund zwei Millionen Menschen aus Syrien aufgenommen – sagt Diekmann: „Nicht jeder hat ein großes Haus, aber jeder kann Verantwortung übernehmen.“ Mittlerweile seien auch die Schwester der verstorbenen Frau von Alani und ihre Angehörigen in der Berliner Vorstadt privat untergebracht; andere Nachbarn gäben in einem Flüchtlingsheim Deutschunterricht.
Diekmann schildert auch die bürokratischen Hürden: So sei sein Potsdamer Haus letztlich formell zu einer Flüchtlingsunterkunft erklärt worden, um die syrische Familie dort legal unterzubringen. Ansonsten hätten die Alanis zunächst noch einige Zeit in der brandenburgischen Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt zubringen müssen. Die Stadt Potsdam sei jedoch sehr hilfsbereit gewesen.
Er wünschte sich, er hätte sein Haus in Damaskus nie verlassen müssen, sagt der Syrer Mounes Alani
Diekmann sagt, der Syrer Alani sei ein Meister im Überleben. Er sei mit Alanis Kindern auch bei einem Therapeuten gewesen, um einer Traumatisierung durch die Flucht vorzubeugen. Dort sei jedoch Alani zusammengebrochen. Er selbst wisse nicht, wie er mit diesem Schicksal zurechtgekommen wäre, so Diekmann.
Alani lässt durchblicken, dass er durchaus einiges mitbekommt vom sicher nicht ganz gewöhnlichen Alltag im Hause Diekmann: „Um das Leben bei Kai zu beschreiben, müsste ich ein Buch schreiben.“ Die Familie Diekmann sei für ihn und seine Kinder jedoch wirklich zu einer Familie geworden. Er wünschte, sagt Mounes Alani, er hätte sein Haus in Damaskus nie verlassen müssen. Doch es sei die richtige Entscheidung gewesen, um seine Familie zu retten.
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