
© Andreas Klaer
Potsdam: Diener des königlichen Parks
Harri Günther, langjähriger Gartendirektor von Sanssouci, wird am Sonntag 85 Jahre. Früher schob er schon mal selber den Schnee von den Schlossstufen.
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Seine Wohnung liegt wirklich in exklusiver Lage. Wenn Harri Günther aus dem Fenster schaut, dann sieht er ein Haus, um das zu besuchen Menschen aus aller Welt extra nach Potsdam reisen. Es ist das berühmteste Gebäude der Stadt, das Günther jeden Tag im Original betrachten kann, ohne dafür auch nur einen Schritt vor die Tür gehen zu müssen. Harri Günther, bis vor 21 Jahren Gartendirektor von Sanssouci, wohnt unterhalb des Sommerschlosses Friedrich II., und sogar in eben jenem Haus, in dem auch schon Günthers berühmtester Vorgänger, Peter Joseph Lenné, einst lebte.
Am morgigen Sonntag wird Harri Günther 85 Jahre. Die Pückler-Gesellschaft nimmt dies zum Anlass, ihm zu Ehren einen Empfang im Schloss Glienicke auszurichten. Aber eigentlich, das beteuert Günther immer wieder gern, ist ihm jeder Rummel um seine Person gar nicht so ganz recht. Er habe sich immer als Diener der königlichen Gärten gesehen. „Die Auffassung muss man nicht haben, aber ich hatte sie“, sagt Günther. Er wolle nach Möglichkeit auch heute gern im Hintergrund bleiben. Den jetzigen Verantwortlichen reinreden – das gehe gar nicht. „Wir kennen uns alle gut, aber ich äußere mich nicht zu Gartendingen“, so umschreibt der Jubilar sein Verhältnis zu der Generation derjenigen, die heute Verantwortung für Sanssouci tragen. Dabei hätte Günther sicher den einen oder anderen Tipp parat. Immerhin verantwortete er 33 Jahre lang, von 1959 bis 1992, als Gartendirektor die Geschicke der Schlossparks.
Am ersten Dezember 1928 im vogtländischen Reichenbach geboren, zogen seine Eltern bald mit ihm nach Dessau. Günther gehörte der Flakhelfergeneration an. Im zarten Alter von nur 15 Jahren zog ihn die Wehrmacht ein. Er kam zu den Flakhelfern nach Minden und überlebte den Krieg unverletzt. An der Humboldt-Universität in Berlin studierte Günther in den 1950er-Jahren Garten- und Landschaftsarchitektur, blieb dem akademischen Betrieb über das Studium hinaus noch als Assistent eine Weile erhalten. Währenddessen promovierte er über das Gedeihen von Gehölzen. Schließlich folgte er 1959 einem Ruf aus Potsdam und stürzte sich nach Jahren des Forschens in die Praxis. In Sanssouci habe er sich zunächst erst einmal „in diesen ganzen riesigen Betrieb“ hineinfinden müssen. „Es war ein einziges Gehetze“, sagt Günther heute. Schwierige Bedingungen habe er damals vorgefunden. Die letzten Gartendirektoren hatten sich 1945 selbst getötet. Seitdem war die Stelle unbesetzt, erzählt Günther. Zu DDR-Zeiten habe er viel Saatgut aus dem Westen bekommen. Verschiedene Gärten aus der alten Bundesrepublik schickten damals Samen nach Potsdam – allein aus Kollegialität. „Wir haben erst nach ’89 gemerkt, wie teuer das war.“ Günther ist heute noch dankbar für diese Unterstützung. „Die haben gefragt, was brauchen sie denn, und dann schickten die das – vor allem die Homburger.“
Ob ihm in all den Jahren nicht ein bestimmter Parkteil besonders ans Herz gewachsen ist? Nein, das sei wie mit Kindern – man könne nicht eines mehr lieben als die anderen. Natürlich hat sich Günther in seinem Berufsleben immer wieder mit Lenné befasst. Eine Biografie des großen preußischen Landschaftsgestalters aus dem Rheinland ist dabei entstanden. Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Sibylle Harksen veröffentlichte er Bestandskataloge der Lennépläne und –zeichnungen. Manchmal musste Günther aber auch einfach mal schnell ganz praktisch aushelfen: Es sei – allerdings nur selten – vorgekommen, dass der Mitarbeiter für den Schneedienst nicht erschien. Dann habe er als Gartendirektor persönlich die Treppen vor dem Schloss vom Schnee befreit. Weitere Anekdoten will Günther lieber nicht erzählen. Die glaube ohnehin keiner. Und auch Privates ist tabu: „Der Garten geht vor – ich bin unwichtig“. Eben ein Diener.
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