Landeshauptstadt: Dienst am Tor
Die Potsdamer Polizei ist zur WM im Dauereinsatz, zum Fußball gucken bleibt da keine Zeit
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Innenstadt - Er ist einer der wenigen, die sich kein WM-Spiel richtig ansehen können.Dabei schaut Ralf Marschall nicht nur gern Fußball, sondern ist sogar für die Weltmeisterschaftsspiele verantwortlich – zumindest dafür, dass es in Potsdam währenddessen friedlich bleibt. Denn der Chef der Potsdamer Polizei koordiniert deren Einsatz in der brandenburgischen Landeshauptstadt, wenn in den großen Arenen Deutschlands die Nationalmannschaften gegeneinander antreten.
Stehen dann noch wie gestern die deutschen Spieler auf dem Feld, wird es für Marschall und seine Mitarbeiter richtig hektisch: Kurz vor 14 Uhr – zwei Stunden vor Anpfiff – weist Marschall Carsten Czernik ein, den Einsatzleiter der zusätzlich aus Frankfurt (Oder) angereisten rund 30 Landeskräfte. In der Charlottenstraße stehen zusätzlich drei Einsatzwagen mit einer Hundertschaft Potsdamer Polizisten – für den Notfall. Schwerpunkt für Czerniks Gruppe: Die Innenstadt mit der Public Viewing Area. Dort erwartet Marschall fast 2000 Menschen, die sich das Match gegen Ecuador am Riesenbildschirm neben dem Brandenburger Tor ansehen wollen. Aber nur 1200 Leute dürfen auf das abgesperrte Gelände – aus Sicherheitsgründen. Rund 400 werden die Securitas-Wachleute, die die Eingänge bewachen, wieder wegschicken müssen. Hinzu kommt, dass die Fans nun zum ersten Mal am Eingang so genannte Verzehrbons kaufen sollen – so wünscht es zumindest der Veranstalter Helicon. Wer nicht zahlen will, soll wieder hinaus geschickt werden. „Das könnte eine Konfliktstelle sein“, sagt Marschall seinen Kollegen. Sie sollten auf die Eingänge achten. Eingreifen dürfen sie aber nur im Notfall. Denn die Area ist das Reich von zwölf Securitas-Leuten. Und die managen den Eingang offensichtlich ohne Probleme. Als Marschall kurz vor 15 Uhr dort eintrifft, ist der Platz vor der Leinwand bereits voll. Dort unterwegs sind auch seine Kollegen in Zivil, aber mit Knopf im Ohr. Sie behalten die Lage im Auge. Sie kennen auch die Gesichter der drei Potsdamer Hooligans, die keine der großen öffentlichen WM-Vorführungen besuchen dürfen. Acht so genannte Aufklärungstrupps sind in Potsdam zu dieser Zeit unterwegs, geben den Polizisten im WM-Führungsraum per Funk durch, dass 600 Menschen friedlich das Spiel auf der Leinwand in der Strandbar in der Leipziger Straße verfolgen und 250 am Kutschstall. Die Männer und Frauen von Czernik stehen derweil in dicker grüner Montur mit weinroten Mützen auf der Brandenburger Straße und schwitzen. Sommer-Einsatz-Kleidung gibt es nicht bei der Polizei, erklärt Marschall. Er wartet indes in der Public Viewing Area auf das erste Tor. Das sei entscheidend für „die Stimmung“, die stark vom Spielverlauf abhängt, sagt Marschall. Sein Blick gilt nicht dem Bildschirm, sondern der Fahnen schwenkenden Menschenmasse. Viele Jugendliche – Marschall runzelt die Stirn: „Die sind emotionaler.“ Doch das erste Tor fällt in der vierten Minute für Deutschland. Jubel am Brandenburger Tor. Bis zum Spielende ist dort die Stimmung entspannt.
Und während nach dem dritten Tor die Potsdamer mit Hupen und Deutschlandfahnen durch die Stadt fahren, sitzt der Polizeichef wieder im Führungsraum. Über Funk dirigiert er den Einsatz der Mitarbeiter, die nun das Herausdrängen aus der Public Viewing Area begleiten. „Noch 250 Mann da, starker Abfluss, alles ruhig!“, gibt Czernik durch. Potsdam befindet sich schon im Fußballtaumel. Da fragt Marschall seine Kollegen, wie die Deutschen denn so gespielt haben. Vom Spiel hat er im Vor-Ort-Einsatz so gut wie nichts sehen können. Aber auf dem Revier steht ein Fernseher.
Juliane Wedemeyer
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