Landeshauptstadt: Diese Sichel war ein Hammer
Volle Planetarien und belegte Schulhöfe. In heller Begeisterung begrüßten viele in Potsdam die „Sofi“
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„Ich dachte, da gibt es noch irgendwelche Special Effects zu sehen“, sagt Sofia und nimmt ihre Sonnenfinsternisbrille ab. Unspektakulär sei sie, murmelt die 17-Jährige am gestrigen Freitag, als schon fast alles wieder vorbei war. „Wenn unsere Schule die Aktion nicht organisiert hätte, dann hätte ich das wahrscheinlich nicht einmal mitbekommen“, sagt die Zwölftklässlerin.
Mit dieser Einstellung dürfte sie wohl nicht nur in ihrer Schule eher zu einer Minderheit gezählt haben. Überall beobachteten in Berlin und Brandenburg die Menschen das seltene Naturereignis. So auch im Potsdamer Helmholtz-Gymnasium in der Kurfürstenstraße.
Alle Schulklassen durften ihren Unterricht am Vormittag unterbrechen, um die „Sofi“ anzuschauen. Auch ein Lehrer des Gymnasiums hat sein Teleskop nahe der Schule für die rund zweistündige Sonnenbeobachtung aufgestellt. Auch wenn sich Sofia einen größeren „Wow-Effekt“ erhoffte – gegen eine halbe Stunde Unterrichtsausfall hatte wohl keiner der Schüler etwas einzuwenden. „Ich habe gehört, dass andere Schulen ähnliche Vorschläge sogar abgelehnt haben“, sagt die Schülerin. Auch der 17-jährige Leonard kannte eine Sonnenfinsternis bisher nur aus dem Fernsehen – die letzte in Deutschland fand im August 1999 statt. Für Physik interessiert sich der Elftklässler eigentlich überhaupt nicht, dennoch fand er es toll, die Sonnenfinsternis einmal live zu erleben.
Die Idee zu der Aktion in der Schule kam von der Elftklässlerin Ricarda Haberle. Seit rund einem Jahr arbeitet die 16-Jährige ehrenamtlich im Urania-Planetarium in der Gutenbergstraße, das auch die Brillen für die insgesamt 720 Schüler zur Verfügung stellte. Schon vorher war sie im Rahmen einer Astronomie AG einmal pro Woche in der Sternwarte im Holländischen Viertel zu Besuch. „Der Planetariumsleiter Benjamin Husheer hat mich damals angesprochen, weil er ein jüngeres Team aufbauen wollte“, erzählt Ricarda. Am Wochenende und in den Schulferien organisiert sie nun Vorführungen zu Sternbildern und Co. Schon als Kind besuchte die Schülerin oft Planetarien in Berlin. Als ihr Cousin auch noch begann, Astrophysik zu studieren, stand für Ricarda fest: „Das will ich später auch mal machen.“
An diesem Freitag war nun ein ganz besonderer Tag für sie. Sie half in ihrer Freistunde tatkräftig auf dem Bassinplatz rund 500 Meter von der Schule entfernt mit, wo die Mitarbeiter des Urania-Planetariums zwei Sonnenteleskope mit Projektionsschirmen und einen kleinen Sonnenprojektor aus Pappe aufbauten. Viele neugierige Besucher versammelten sich vor der Kirche St. Peter und Paul, um das Spektakel mitzuerleben.
Auch ein Hobbyastronom zog mit einer selbst gebauten Konstruktion die Aufmerksamkeit vieler Passanten auf sich. Seine auf einem Stativ befestigten Ferngläser hatte er mit einem speziellen Filterpapier beklebt, aus dem auch die üblichen Brillen bestehen. Dadurch konnte er das Schauspiel am Himmel in 15-facher Vergrößerung beobachten.
Viele Schulklassen nutzten auch die Möglichkeit, in den halbstündigen Vorstellungen im Urania-Planetarium mehr über Astrophysik zu erfahren.
In Potsdam war der Höhepunkt der Sonnenfinsternis um 10.47 Uhr erreicht. Rund 74 Prozent der Sonne waren bedeckt, wie Aliza Straß vom Planetarium mitteilte. Viele Potsdamer haben die Veränderung auch ohne Fernrohr bemerkt. „Es ist kühler geworden und das Licht war irgendwie komisch“, erzählten mehrere Schaulustige. Bis 11.58 Uhr dauerte die partielle Sonnenfinsternis in Potsdam an.
Als die Sonne wieder fast vollständig zu sehen war und sich auch das rege Treiben auf dem Bassinplatz langsam auflöste, hörte man noch einen ratlosen Passanten fragen: „Wann geht es denn nun eigentlich los mit der Sonnenfinsternis?“
Das könnte jetzt leider dauern. Die nächste partielle Sonnenfinsternis soll nämlich erst wieder in sieben Jahren zu beobachten sein. Die nächste totale Sonnenfinsternis in Deutschland werden wohl höchstens noch die ganz kleinen Gäste miterleben können, die sich am gestrigen Freitag in der Innenstadt tummelten. Sie soll nämlich erst im Jahr 2081 stattfinden.
Mareike-Vic Schreiber
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