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Aus dem GERICHTSSAAL: Dior-Parfüm für 116 Euro gestohlen 80-Jährige wegen Diebstahls vor Gericht

Die alte Dame ist sehr aufgeregt. Der Verteidiger erzählt ihr vor der Verhandlung, er habe vor Kurzem einen Mandanten vertreten, der nur einen Monat jünger war als sie.

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Die alte Dame ist sehr aufgeregt. Der Verteidiger erzählt ihr vor der Verhandlung, er habe vor Kurzem einen Mandanten vertreten, der nur einen Monat jünger war als sie. Doch das vermag die 80-Jährige nicht zu beruhigen. Marga M. muss sich wegen Diebstahls im beschleunigten Verfahren vor dem Amtsgericht verantworten. Sie soll am Nachmittag des 25. Februar im Karstadt-Kaufhaus in der Brandenburger Straße ein Parfüm von Dior im Wert von 116 Euro entwendet haben. Immer wieder schaut die Seniorin nervös auf ihre Armbanduhr. Der Prozess sollte längst begonnen haben. Doch die Strafsache, die vor ihr anberaumt wurde, zieht sich in die Länge.

„Berichten Sie einfach, wie es war“, rät der Rechtsanwalt. „Die Richterin wirkt manchmal etwas streng, aber sie kennt das Leben. Sie wird Ihnen nicht den Kopf abreißen. Im schlimmsten Fall erhalten Sie eine Geldstrafe.“

Endlich wird Marga M. aufgerufen. Auf der Anklagebank schildert sie ungefragt ihr halbes Leben. Die Vorsitzende lässt die Rentnerin erst einmal reden. Irgendwann wird sie ruhiger, blickt sich sogar im Gerichtssaal um. „Stimmt, ich habe die Flasche unter meine Jacke gesteckt“, gesteht die ehemalige Verkäuferin schließlich. „Es tut mir sehr leid, dass es so weit gekommen ist. Ich habe vorher noch nie jemandem etwas weggenommen.“ Der Kaufhausdetektiv, der den Diebstahl beobachtete, ist als Zeuge geladen. Leider fehlt er unentschuldigt. Doch Staatsanwaltschaft und Gericht können auf seine Aussage verzichten.

„Was ist in diesem Moment nur in Ihrem Kopf vorgegangen?“, wendet sich die Richterin an die Angeklagte. Marga M. schaut zu Boden. Der Verteidiger springt in die Bresche, regt an, das Verfahren gegen die bislang nicht Vorbestrafte einzustellen – am besten ohne Geldauflage, da ihre Rente knapp bemessen ist. „Wir sind hier nicht beim Würfelspiel. Ihre Mandantin kann schließlich auch Sie bezahlen“, pariert die Vorsitzende, erklärt dann: „Ich sperre mich gar nicht gegen eine Einstellung. Schließlich ist es nicht nötig, eine 80-Jährige zu kriminalisieren.“ Ein Denkzettel müsse allerdings sein. Mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten wird das Verfahren gegen die Potsdamerin gegen eine Geldauflage von 100 Euro – zahlbar bis zum 30 Juli – eingestellt.

„Tun Sie das, ist die Sache erledigt. Ansonsten sehen wir uns hier wieder. Und machen Sie künftig einen großen Bogen um die Parfümabteilung“, rät die Vorsitzende der Angeklagten abschließend. Marga M. ist froh, so glimpflich davongekommen zu sein. „Auf Wiedersehen sage ich lieber nicht“, meint sie beim Hinausgehen. (*Name geändert.) Hoga

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