Von Guido Berg: Dokumentation des Synagogen-Streits
Mitteschön veröffentlicht gescheiterte Gespräche mit Platzeck / Joffe: Entwurf ist „politisches Feigenblatt“
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Innenstadt - Weit intensiver als bisher bekannt wurde in den zurückliegenden Monaten in Potsdam über die neue Synagoge und die Zukunft des Judentums in der Stadt gerungen. Dies geht aus einer Dokumentation hervor, die die Bürgerinitiative Mitteschön seit gestern auf ihrer Internetseite www.mitteschoen.de abrufbar macht. Demnach sind die von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) moderierten Gesprächsrunden zwischen dem Synagogenbauverein, der Jüdischen Gemeinde Potsdam, dem jüdischen Dirigenten Ud Joffe und der Bürgerinitiative Mitteschön gescheitert.
Der in der Kritik stehende Synagogenentwurf des Architekten Jost Haberland werde bis auf geringe Änderungen so gebaut, wie ursprünglich vorgesehen. „Es müsste ein Wunder geschehen, wenn noch was passiert“, sagte Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster gestern den PNN. Sollte der Haberland-Entwurf in der Schlossstraße umgesetzt werden, entstehe lediglich „eine Übergangssynagoge“, so die Mitteschön-Sprecherin. Ein jüdisches Gotteshaus, das den religiösen Bedürfnissen nach Attraktivität und Repräsentativität nicht entspreche, nähre den Wunsch und die Vision eines Wiederaufbaus der alten Synagoge am Platz der Einheit. Barbara Kuster: „Freilich liegt das im Ermessen der Potsdamer Juden.“
Sowohl Mitteschön als auch Ud Joffe kritisieren die ihrer Ansicht nach geringe äußerliche Attraktivität und Erkennbarkeit der Haberland-Synagoge. Stein des Anstoßes ist ferner die geringe Größe des Gebetssaals, der über keinen direkten Zugang vom Erdgeschoss aus verfügt.
Laut Mitteschön-Dokumentation hat Ud Joffe dem Ministerpräsidenten ein Korrekturkonzept für die Synagoge vorgelegt. Darin enthalten seien vier Gutachten „von führenden Rabbinern in der Welt“, die darlegten, dass der Gemeindesaal ins Erdgeschoss gehöre. Sein Konzept, das auch Vorschläge für eine bessere äußere Erkennbarkeit des Gebäudes als jüdische Synagoge enthält, sei „völlig ignoriert“ worden, erklärte Joffe den PNN. In diesem Zusammenhang wirft Joffe dem Ministerpräsidenten eine „parteiische Gesprächsführung“ vor. Das Land brauche die Synagoge „als politisches Feigenblatt“. Das Gebäude, in dem der überwiegende Teil der Fläche für ein Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde Potsdam vorgesehen ist, werde zur Legitimation für den Bau der Garnisonkirche benötigt. Deshalb laute für den im Frühjahr 2011 geplanten Synagogen-Baustart die Devise „Augen zu und durch“, so Joffe.
Der aus Israel stammende Dirigent hatte eigenen Angaben zufolge für die Kompromissgespräche mit Platzeck weitgehende Zugeständnisse gemacht. So habe er Platzecks Vorbedingungen anerkannt. Der Ministerpräsident bestand Mitteschön zufolge darauf, dass kein neuer Architekturwettbewerb nötig werden dürfe. Auch dürfe niemand die Haltung vertreten, „keine Synagoge ist besser als diese“. Joffe zufolge habe er dies zugestanden und zudem angeboten, bei erfolgreichen Gesprächen auf das Projekt einer eigenen jüdischen Gemeinde zu verzichten. In Abgrenzung zur Jüdischen Gemeinde Potsdam hatte Joffe zunächst die Betergemeinschaft Minjan gegründet, aus der in diesem Jahr die Synagogengemeinde Potsdam hervorging. Werde das Synagogenprojekt in der Schlossstraße wie geplant gebaut, stelle dies keine Wiedergutmachung für die Zerstörung der alten Potsdamer Synagoge am Wilhelmsplatz dar, heute Platz der Einheit. Joffe: „Ich nenne das eine Wiederschlechtmachung.“
Die Mitteschön-Dokumentation verdeutlicht, dass der nun eskalierende Streit um die Synagoge früh absehbar war. Bereits 2006 war der damalige Rabbiner der Jüdischen Gemeinde, Nachum Presman, mit dem Hinweis aus dem Synagogenbauverein ausgetreten, es werde dort eine liberale Synagoge geplant. Zwar habe sich der Bauverein 2007 für einen Bau nach orthodoxem Ritus entschieden, sich aber im Weiteren durch den Berliner Rabbiner Yitzhak Ehrenberg beraten lassen. „Dieser stimmte sich nicht mit Rabbiner Presman in Potsdam ab, dessen Gemeinde es betrifft“, heißt es in der Dokumentation. Presman hat indes die Jüdische Gemeinde verlassen und ist mit Joffe Mitbegründer der Synagogengemeinde Potsdam.
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