
© Manfred Thomas
Von Günter Schenke: Doppelspitze fürs Potsdamer Rathaus
Stadtjugendring inszenierte mit den OB-Bewerbern einen besonderen Wahlkampf auf dem Bassinplatz
Stand:
Innenstadt - Mit einer „Doppelspitze“ endete gestern ein ganz besonderer Wahlkampf um den Potsdamer Oberbürgermeister-Sessel auf dem Bassinplatz. Nach einem harten Ringen in zehn Disziplinen entschieden sich die meist jugendlichen Zuschauer punktgleich für Marie Luise von Halem (Bündnis 90 / Die Grünen) und Benjamin Bauer (Die Andere).
Bei allem Spaß blieben die Inhalte nicht auf der Strecke, wobei die sieben OB-Kandidaten durchaus kooperativ miteinander umgingen. Zum Beispiel mussten sie sich auf einem „Boot“, symbolisiert durch ein Badetuch, versammeln und das Tuch umdrehen, ohne jemanden ins Wasser zu werfen. Marcel Yon (FDP) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Die Linke) mühten sich dabei redlich, um dem an Krücken gehenden Bauer behilflich zu sein. Bei der Jury brachte das einen Sonderpunkt für Kooperation ein.
Die Fähigkeit, eine bürgernahe Stadtpolitik zu machen, war vor allem gefragt. „Wie würden Sie hundert Millionen Euro verwenden, die ein großzügiger Spender der Stadt schenkt?“ Bei dieser Frage zeigten sich Gemeinsamkeiten und Differenzen. Fast alle halten die Beschaffung bezahlbaren Wohnraumes für vordringlich. Yon fällt etwas aus dem Rahmen, weil er das Geld in eine Stiftung geben will, welche 50 Millionen Euro für „frühkindliche Bildung“ verwendet. Mit weiteren Millionenbeträgen will der Liberale innovative Unternehmen fördern. Von Halem setzt als einzige den Klimaschutz an die Spitze, ein Drittel der Summe will sie dafür einsetzen und weitere Gelder für den Radverkehr. Barbara Richstein (CDU) hält es für dringend, das Potsdamer Verkehrskonzept zu überarbeiten. Es seien mehr Mittel einzusetzen, um die Staus in der Stadt zu vermeiden, sagt sie. Hingegen gilt Bauers Augenmerk dem öffentlichen Nahverkehr. Zwanzig Millionen Euro will er für eine kostenlose Benutzung ausgeben. „Wenigstens nachdenken müssen wir darüber.“
Den Kandidatenwettstreit auf der Skateranlage leitete Tim Klein mit seiner Gitarre ein. Der junge Mann mit Abschluss als Medienmanager trug unermüdlich sowohl bekannte als auch selbst komponierte Songs vor. „Zurück auf die Schule“ lautet einer. „Als Ansporn für Schulabbrecher“, sagt der Musiker.
Die Stationen des Kandidatenparcours hatten der Stadtjugendring und das Kinder- und Jugendbüro mit Sitz in der Schulstraße 6 ausgearbeitet. Entsprechend jugendgemäß waren manche Aufgaben wie das Wissen um die Bedeutung eines „Oli“. Bauer und von Halem wussten jedoch, dass es sich um eine Skater-Figur handelt. „Da hängen beide Achsen des Brettes in der Luft“, erklärt Bauer. Die bündnisgrüne Kandidatin will sogar einen „Oli“ vor dem Rathaus tanzen, falls sie am 19. September zur Oberbürgermeisterin gewählt wird.
In der Rubrik „Kreativität“ schoben die Helfer des Stadtjugendringes große Staffeleien auf den Platz und die OB-Kandidaten sollten innerhalb von fünf Minuten ihr künftiges Bild von der Stadt aufs Papier bringen. Am schnellsten war Scharfenberg fertig: ein bunter Kreis und darin die Worte „Ein Potsdam für alle“. Marek Thutewohl (Piraten) zeichnete eine Art Brückenbogen als Symbol für einen gewünschten dritten Havelübergang und für das Auf und Ab der Landeshauptstadt. Richstein wird in der vorgeschriebenen Zeit nicht fertig, weil sie eine Großfamilie mit zu vielen Figuren aufs Papier bringt. Bauer zeichnet wider Erwarten nur seinen schwarz-weißen Namenszug „Bauer 4 the people“. Punktabzug von der Jury. Von Halems Bild ist bunt, vor allem grün und mit ideenreichen Zunkunftsvisionen versehen, ähnlich wie das künstlerisch wirkende von Yon, auf dem Radfahrer „Neue Wege“ befahren.
Nicht nur der zarte Zeichenstift, sondern auch Gewalt war gefragt, als die Kandidaten mit Vorschlaghammer und Säge Kartons mit Aufschriften wie Bahnhofspassagen, eingeschränktes Radfahren im Park, Stadtschloss und Fachhochschule (FHP) am Alten Markt zerstören durften. Jann Jakobs (SPD) zersägte die FHP, Bauer drosch mit dem Vorschlaghammer auf das Stadtschloss ein und von Halem trampelte wild auf den Bahnhofspassagen herum. Gegen die Einschränkungen beim Radfahren im Park schaffte sich Scharfenberg mit Thutewohl, und Yon schlug einen Nazi-Karton in Klump.
Günter Schenke
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