Homepage: Doppelstrategie gegen Piraten
Die Historikerin und Politologin Teresa Modler forscht zu Seeräubern in Antike und Gegenwart
Stand:
„Eigentlich müsste ich vor Ort recherchieren, aber das ist im Augenblick doch sehr gefährlich“, sinniert Teresa Modler. Somalia, der aktuelle Brennpunkt der Piraterie, ist der Ort, an dem die Historikerin und Politologin brandaktuelle Informationen zum Thema ihrer Promotion bekommen könnte. Über den „Kampf gegen Piraterie in der Antike im Vergleich mit den Einsätzen der Bundeswehr“ setzt sich Modler mit Fachleuten vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam auseinander.
„Das Forschungsamt ist gegenwärtig erstaunlich offen für unkonventionelle Sichtweisen“, stellt Modler fest. Sie hatte nicht unbedingt damit gerechnet, gerade bei der Bundeswehr ein offenes Ohr für ihre Studien zu Pompeius dem Großen zu finden. Der Römer schlug sich in den Jahren 67/68 vor Christus im Mittelmeer mit Piraten herum. Damals blockierten Piraten Handelswege des römischen Imperiums und beeinträchtigten die Versorgung Italiens mit Getreide aus den Anrainerstaaten des Mittelmeers. Pompeius sollte die Piraten besiegen und den Herrschaftsanspruch des Großreiches sichern. Das gelang dem Militärbefehlshaber erstaunlich schnell. Innerhalb weniger Monate unterwarf Pompeius mit einer Streitmacht von 20 Legionen zu 6000 Mann und 500 Schiffen zunächst die Piraten des westlichen Beckens des Mittelmeeres. Dann wandte er sich der kilikischen Küste zu, die sich in etwa bei den heutigen türkischen Provinzen Adana und Mersin befindet. Ein Großteil der Piraten der Antike stammte aus Kilikien und war zuvor mit den Römern im Krieg gegen die hellenistischen Staaten verbandelt.
„Pompeius war sehr schlau, er fuhr eine Doppelstrategie bei der Bekämpfung der Piraten“, stellt Modler fest. Einerseits habe der Römer massiv militärisch zugeschlagen, andererseits aber siedelte er die Piraten auf dem Land an und verschaffte ihnen eine Starthilfe als Bauern oder Handwerker. Wo zuvor die Piraten reihenweise ans Kreuz genagelt worden waren, ließ Pompeius Milde walten.
Etwas Ähnliches sei auch heute denkbar, meint die Wissenschaftlerin. Fischer, die aufgrund der leer gefischten Gewässer und mit Giftmüll verseuchten Küste vor Somalia aus purer Not zu Piraten würden, stellten nur dann ihre Beutezüge ein, wenn sie eine anderweitige Erwerbsmöglichkeit hätten. Zudem handele es sich bei den Staaten am Horn von Afrika zwar um „failed States“, aber nicht um „failed Societies“. Biete sich den Menschen eine Perspektive, so seien sie durchaus bereit, wieder zivile Strukturen zu etablieren. Die Lösung des Konflikts könne daher nicht darin bestehen, mit Panzerkreuzern Schiffe zu versenken.
Der Kampf des Römers gegen die antiken Piraten weist erstaunliche Parallelen zu den Problemen der heutigen Seefahrt vor der Küste Somalias auf. Auch im vorchristlichen Jahrhundert handelte es sich um einen Krieg zwischen ungleichen Kontrahenten. „Die antiken Völker hatten keine staatlichen Strukturen, sondern waren in Klans und Stämmen organisiert“, erklärt Teresa Modler. Heute bekämpfen die hoch industrialisierten Staaten Nordeuropas und Amerikas die zerfallenen Staatengebilde an der Nordostküste Afrikas. Diese sind ebenfalls von Warlords und Stammesfürsten beherrscht.
„Erst einmal müsste juristische Sicherheit geschaffen werden“, vermutet Modler. Es sei weitgehend unklar, welche Befugnisse die Soldaten auf den Schiffen hätten, mit denen die internationale Seefahrt gesichert werde. Zweifelhaft sei auch, so die Wissenschaftlerin, welche Gerichte im Einzelfall zuständig seien. Ausgesprochen kontraproduktiv dürfte es jedoch ein, wenn, wie im vergangenen Herbst geschehen, 60 Seeräuber nach einer Bestechung des zuständigen Richters entlassen werden – aus einer Haftanstalt , die von der UNO erst kurz zuvor für 1,5 Millionen Euro gebaut worden war, um Piraten festzusetzen.R. Rabensaat
R. Rabensaat
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: