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Landeshauptstadt: „Dort sollte es besser keine Störung geben“ Wenn die S-Bahn nach Potsdam nicht funktioniert, ist die Transportleitung der S-Bahn in Berlin am Zug

Berlin/Potsdam - Ein Vormittag in der Transportleitung der Berliner S-Bahn: Der morgendliche Berufsverkehr ist bewältigt. Es duftet nach Kaffee.

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Berlin/Potsdam - Ein Vormittag in der Transportleitung der Berliner S-Bahn: Der morgendliche Berufsverkehr ist bewältigt. Es duftet nach Kaffee. Die Mitarbeiter sitzen an ihren Plätzen und rufen sich hin und wieder über die Trennwände Kürzel und Zahlen zu, die für Laien keinen Sinn ergeben. Jeder hat sechs Monitore vor sich auf den denen Tabellen zu sehen sind und ein Schema des S-Bahnnetzes. An verschiedenen Stellen blinkt es, kleine Rechtecke in verschiedenen Farben bewegen sich. Jedes Rechteck steht für einen Zug. Die Farbe steht für die Richtung.

Solange alles nach Plan läuft, ist es bei Tobias Mertens ruhig. Er ist der Chef der Transportleitung. Wenn es eine Störung gibt, kann es allerdings laut werden. „Das muss man mögen“, sagt Mertens. Von der Zentrale im dritten Stock eines unscheinbaren Backsteinbaus in Berlin-Adlershof aus wird der Betrieb auf den S-Bahnstrecken organisiert.

Im Gegensatz zum zentralen Stellwerk der Bahn in Halensee hat die Transportleitung nichts mit dem Schienennetz zu tun. Weichen werden hier nicht gesteuert. Stattdessen wird entschieden, was passiert, wenn ein Zug verspätet unterwegs ist oder ob bei einer Störung ein Pendelverkehr eingerichtet wird.

Mit der Strecke nach Potsdam haben die Mitarbeiter häufiger zu tun. In Potsdam endet die 48 Kilometer lange Strecke der S1. Die letzten Kilometer ab Wannsee sind eingleisig. Die Züge können sich nur an den Bahnhöfen ausweichen oder müssen aufeinander warten. Ist einer verspätet, setzt sich das Problem auch in der Gegenrichtung fort.

Auch an diesem Tag macht die S1 wieder Schwierigkeiten: Im Norden Berlins hat ein alterschwacher Baum die Herbstwinde offenbar nicht verkraftet und neigt sich zu den Gleisen. „Baumstämme auf dem Gleis versuchen wir zu vermeiden“, sagt Mertens. Der Baum muss gefällt und die Strecke gesperrt werden. Die Kontrolleure nehmen einzelne Züge aus dem Betrieb, damit vor der Engstelle kein Stau entsteht. Ersatzbusse werden bestellt.

Das Wirken der Transportleitung bekommen die Fahrgäste im besten Fall kaum zu spüren. „Unser Ziel ist es, dass alle geplanten Züge auch fahren“, sagt Mertens. Mehr als 300 Kilometer lang ist das Streckennetz der Berliner S-Bahn. Täglich müssen 3000 Zugfahrten koordiniert werden. Besonders spannend für die insgesamt 40 sogenannten Disponenten, die den Betrieb im Schichtdienst lenken, ist die Hauptverkehrszeit am Morgen und am Nachmittag. „Das muss laufen, wie ein Schweizer Uhrwerk“,so Mertens.

Ein weiteres kleines farbiges Rechteck auf den Monitoren in der Transportleitung steht für die Pünktlichkeit beziehungsweise Verspätung – je nach Sichtweise. „Ein S-Bahnzug gilt als pünktlich, wenn er weniger als vier Minuten über dem Plan ist“, erklärt S-Bahnsprecher Ingo Prignitz. Dieser Zeitpuffer reicht nicht immer aus. 742 Züge waren im Oktober verspätet unterwegs, so Mertens. Dabei kamen etwa 7000 Minuten Verspätung zusammen. In den vergangenen Wochen mussten die S-Bahnen immer wieder stoppen, weil spielende Kinder an den Gleisen gesehen worden. Die Zugführer müssen in solchen Fällen anhalten. Die Transportleitung ruft die Polizei. Bis die Beamten die Gleise nicht wieder freigegeben haben, geht auf der betroffenen Strecke erstmal nichts.

Das hat oft weiträumige Auswirkungen. „Im Gegensatz zur U-Bahn teilen sich bei uns oft mehrere Linien eine Strecke“, so Mertens. „Das müssen wir managen.“ Um einen Zug außerplanmäßig zu wenden, dauere allein die Abstimmung mit dem Stellwerk und dem Fahrer sieben Minuten. Für die Wartenden auf dem nächsten Bahnhof erscheint dann die Mitteilung über einen laufenden Polizeieinsatz auf der blauen Anzeigentafel.

Auf den stark frequentierten Strecken über die Stadt- und die Ringbahn sind bei Störungen viele Menschen betroffen. Problematisch sei zum Beispiel der S-Bahnhof Herrmannstraße, der pro Richtung in der Stunde nicht nur von zwölf Zügen der Ringbahn sondern auch von den Linien nach Schönefeld, Königs Wusterhausen und Spindlerfeld genutzt wird. „Dort sollte es besser keine Störung geben“, so Mertens. Minuten später wird gemeldet, dass genau dort ein Zug den Strom abgestellt hat. Es wird telefoniert. Ein Mann ist in der S-Bahn ohnmächtig geworden. Der Notarzt ist unterwegs. In der Transportleitung wird es laut. Marco Zschieck

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