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Die Potsdamer Filmhochschule HFF schlägt sich in diesem Jahr erneut erfolgreich auf der Berlinale
Stand:
Am Mittwochmittag nimmt sich die Berlinale endlich eine kleine Auszeit. Auch in der Lounge der Cinemaxx-Kinos am Potsdamer Platz geht es eher gemächlich zu, anders als abends sind sogar Sitzplätze frei. Fast etwas verloren sitzt Jan Koester nun auf einer gigantischen roten Designercouch, ganz hinten an der großen Glasfront. Sichtlich entspannter als bei der Premiere seines Films am Montag erzählt der ehemalige Student der Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) von seinem Film „Our Man in Nirvana“.
Dafür, dass der Streifen am Tag zuvor mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, macht Koester dies ausgenommen sachlich. Auch wenn mit jedem Wort deutlicher wird, wie glücklich er über den Verlauf des Festivals ist. Überheblich jedoch wirkt er keineswegs. Nein, Parallelen zum ausschweifenden Rockstar John aus Koesters Animationsfilm gibt es nun wirklich keine. Ohne Frage sei er aufgeregt gewesen, als am Montagabend das Lichtspielhaus zum Überlaufen voll war. Zur Schau trug er diese Aufregung freilich ebenso wenig wie nach der Preisverleihung den Stolz.
„Na, biste aufgeregt?“ hatte ihn da seine Professorin Christina Schindler von der HFF vor der Premiere schelmisch gefragt. Zum ersten Mal mit einem eigenen Werk auf einem Festival vertreten, jahrelange Arbeit endlich auf der riesigen Leinwand zeigen zu können. Und dass in einem Saal, vor dem hunderte Zuschauer standen, allesamt hoffend, irgendwie doch noch hineinschlüpfen zu können. Wer wäre da nicht aufgeregt?
Mitunter trat die Aufregung während der Begegnung der Potsdamer Filmhochschule HFF mit der Berlinale natürlich aber auch offen an den Tag. Beispielsweise als im Kurzfilmpanorama „Wonderland“ Daniel Langs „Dog“ gezeigt wurde. Wie im Wunderland kam sich der Regisseur des unter Anleitung von Prof. Rosa von Praunheim entstandenen Kurzfilms erst einmal wohl nicht vor, wohl eher wie in der Hölle auf Erden, zumindest aber wie im falschen Film. Denn kaum war der Film, in dem der Regisseur „autobiographisch“ vom Tod als Filmemacher und seiner Wiedergeburt als indischem Straßenhund erzählt, angelaufen, hetzte der Nachwuchsregisseur quer durch den überfüllten Saal. „Die Cadrage stimmt überhaupt nicht“, rief er dem verdutzten Kinopersonal entgegen. Sofort versuchte der verzweifelte Filmvorführer noch eine Rettung, indem er das Bild hoch und wieder runterkurbelte, doch dann wurde die Leinwand wieder dunkel, der Ton brach ab. Lang schien zum Heulen zumute. Als der Film dann endlich mit korrekt angelegtem Bildstrich über die Leinwand flimmern konnte, kam er beim Publikum bestens an. Was nicht zuletzt deshalb von Bedeutung ist, weil im Kurzfilmpanorama die Zuschauer als Jury über die Preise entscheiden. Wenn es nach den Lachern ginge, Langs Film hätte morgen den Publikumspreis sicher. Weit weniger witzig ging es dann Mittwochabend in der Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ zu, als mit „Vier Fenster“ von Christian Moris Müller eine Koproduktion der HFF gezeigt wurde. Unsanft holte der Film den Betrachter wieder auf den harten Boden des jungen deutschen Problemfilms. Vater liebt Tochter, Sohn ist schwul und die Ehefrau und Mutter der schrecklich netten Familie dementsprechend frustriert. Und obwohl viel geredet wird, wird wenig gesagt. Das alles ist nicht neu, wurde hier doch mehr als nur der Kameramann Jürgen Jürges von Rainer Werner Fassbinder entliehen.
Doch was man über derlei filmischer Trostlosigkeit und allem Trubel um die begehrten Bären nicht vergessen darf: Allein der Umstand, dass die Filme überhaupt im Rahmen der Berlinale gezeigt wurden, ist ein Riesenerfolg. Selbst wenn Preisträger Jan Koester zugibt, dass er durchaus auf die Auszeichnung schielte, sobald sein Beitrag erst einmal aus über 800 Einsendungen aus aller Welt ausgewählt worden war. Koester ist sich der Qualitäten seines Films durchaus bewusst ist.
Der Stolz auf das preisgekrönte Werk ist durchaus angebracht. Nicht zuletzt, weil Koester über drei Jahre an den etwas über zehn Minuten gearbeitet hat. Wer nun glaubt, er und sein Team hätten sich ungebührlich viel Zeit gelassen, den klärt der Regisseur freundlich darüber auf, dass früher, als in seinem Genre noch mit dem Stift in der Hand gearbeitet wurde, die Faustregel galt: Eine Minute Film, ein Jahr Arbeitszeit. Heute geht es dank Computer etwas schneller. Wer das hört, bekommt eine vage Ahnung, was es bedeutet, wenn Jan Koester ganz beiläufig einfließen lässt, dass er insgesamt ungefähr eine Minute aus dem Film wieder herausschneiden musste.
Moritz Reininghaus
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