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Von Heike Kampe: Du bist, was du isst
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat in Potsdam ihren 48. Wissenschaftlichen Kongress abgehalten
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Die Regeln sind einfach: Viel Getreideprodukte, reichlich Obst und Gemüse, ausreichend Milchprodukte, wenig Fleisch, Öle und Fette besonders sparsam verwenden – diese Grundlagen gesunder Ernährung sind allgemein bekannt. Welches Nahrungsmittel welchen Anteil an unserer täglichen Ernährung haben sollte, stellt der Ernährungskreis, den die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) herausgegeben hat, besonders anschaulich dar. Männer sollten sich diese Empfehlung einmal genauer ansehen. Denn eine Studie mit knapp 24 000 Teilnehmern aus der Region Potsdam zeigte: Männer, die sich an die Empfehlungen der DGE halten, sind gesünder. Sie entwickeln seltener Diabetes oder andere chronische Krankheiten als Männer, die sich vergleichsweise ungesund ernähren. Das Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten ist um bis zu 40 Prozent reduziert. Doch das eigentlich Überraschende ist: Bei weiblichen Studienteilnehmern konnte dieser Zusammenhang nicht festgestellt werden.
Eine Erklärung für dieses unerwartete Ergebnis könnte in den unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten von Frauen und Männern liegen. „Frauen ernähren sich gesünder, sie essen ohnehin weniger Fleisch als Männer. Wenn dieser relativ geringe Konsum noch weiter reduziert wird, ist der daraus resultierende Effekt nicht mehr so stark“, erklärt Anne von Rüsten die Ergebnisse ihrer Datenanalyse. Die Doktorandin des Deutschen Instituts für Ernährung (DIfE) in Bergholz-Rehbrücke stellte ihre Arbeit auf dem 48. Wissenschaftlichen Kongress der DGE, der in der vergangenen Woche an der Universität Potsdam stattfand, vor. Doch auch wenn die Daten es nicht zeigen – die Wissenschaftlerin vermutet, dass es „einen ähnlichen Effekt auch bei Frauen gibt, dass wir den aber aufgrund von Verzerrungen nicht nachweisen konnten“.
Neben dem Ernährungsverhalten beschäftigten sich die etwa 600 Teilnehmer des Kongresses, die der Einladung der DGE gefolgt waren, mit weiteren Fragen rund um das Thema Ernährung. „Ernährungswissenschaft – Vom Experiment zur Praxis“ – unter dem diesjährigen Motto wurde etwa diskutiert, wie die Ergebnisse aus der experimentellen Grundlagenforschung häufiger als bisher zu einer praktischen Anwendung kommen können. „Das Grundproblem zwischen Wissenschaft und Praxis ist, dass die Grundlagenforschung sehr lange an einem Thema arbeitet, in der Umsetzung dann aber plötzlich festgestellt wird, dass die Ergebnisse nicht verwertbar sind“, erklärt Professor Florian J. Schweigert vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Potsdam. Es gelte daher, so früh wie möglich Schnittstellen zwischen Praxis und Wissenschaft zu finden. Die Ernährungswissenschaften an der Universität Potsdam sieht er in diesem Punkt gut aufgestellt: „Wir entwickeln Konzepte, in denen wir gemeinsam mit Kliniken versuchen, die Fragen und Themen die wir haben, relativ schnell am menschlichen Modell zu testen“. So könne bereits früh erkannt werden, ob die Ergebnisse für die Praxis relevant seien. Besonders intensiv arbeite man mit der Berliner Charité zusammen, so Schweigert.
Neben den Schwerpunkten Biochemie, Toxikologie oder Ernährungsmedizin tauschten die Kongressteilnehmer auch Erkenntnisse über die Ernährung bestimmter Bevölkerungsgruppen aus. Welche besonderen Bedürfnisse haben Sportler, Schwangere, Senioren oder Kinder, wie kann die Verpflegung in Gemeinschaftseinrichtungen verbessert werden? – diese Fragen waren wichtige Punkte im Tagungsprogramm.
Einer besonderen Zielgruppe widmet sich Ernährungsexpertin Ayla Gediz von der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung (TDG) in Gießen. Viele Kinder und Jugendliche leiden unter Übergewicht und Fettleibigkeit, doch in türkischen Familien bringen die Kinder besonders viel auf die Waage. Die Adipositasrate beträgt rund das Doppelte des bundesweiten Durchschnitts: Zehn bis zwölf Prozent der Kinder sind krankhaft übergewichtig.
Ungünstige Ernährungsgewohnheiten und mangelnde Bewegung seien die Ursachen, so Gediz. Doch auch die Einstellung in den Familien sei Teil des Problems. In der Türkei werde Übergewicht als weniger problematisch angesehen, wohlgenährte Kinder seien gleichbedeutend mit gesunden Kindern. „Diese Einstellung überträgt sich natürlich von den Müttern auf die Kinder“, so die Ökotrophologin Gediz. Die TDG setzt auf Aufklärung: Zielgruppe eines vorgestellten Pilotprojektes zur Prävention von Übergewicht sind die Frauen, denn sie sind für die Versorgung der Familien verantwortlich.
In Workshops erfahren sie Basiswissen über ausgewogene Ernährung oder den verantwortungsvollen Umgang mit Süßigkeiten. Sprachliche und kulturelle Barrieren sollen dabei so gering wie möglich gehalten werden. Gemeinsames Kochen ist Teil des Programms, der Höhepunkt ist ein Dessertwettbewerb. Ayla Gediz hofft, mit den Workshops die Ernährungsgewohnheiten der Familien nachhaltig zu beeinflussen.
Heike Kampe
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