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Landeshauptstadt: „Dunkle Vorgehensweisen“

200 Securitas-Mitarbeiter fürchten nach Übernahme um ihre Arbeitsplätze – die Chefs schweigen

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Industriegebiet - Es ist sechs Uhr früh, noch dunkel und es tröpfelt. Die Männer in den „Securitas“-Uniformen stehen vor dem Firmensitz im Industriegebiet Rehbrücke und halten Schirme. „Das Wetter passt ja“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Sven Petke zu den gut 150 Mitarbeitern. „Man hat Sie im Regen stehen gelassen.“ Vor einer Woche hat die schwedische Securitas-Gruppe ihre Sparte Geld- und Werttransporte an den Konkurrenten Heros aus Hannover verkauft. Seit dieser offensichtlichen Nacht- und Nebelaktion wissen die insgesamt 200 Männer und Frauen, die in Potsdam bei Securitas Geld- und Werttransporte arbeiten, nicht wie es weiter geht. Sie fürchten um ihre Arbeitsplätze. „Jeder ist besorgt und verunsichert“, sagt ein 49-jähriger Mitarbeiter aus Brandenburg (Havel). „Und das vor Weihnachten.“ Er spricht von „dunklen Vorgehensweisen“.

Ähnlich sieht das Michael Grunau, der Betriebsratsvorsitzende. Im Lichte eines Kamerascheinwerfers liest er bei der außerordentlichen Betriebsversammlunbg im Freien eine Chronik der Ereignisse vor. Fazit: Weder die neuen noch die alten Chefs hätten bisher mit den Mitarbeitern – 1600 sind es deutschlandweit bei Securitas Geld- und Werttransporte – gesprochen. „Keiner weiß, ob die Löhne bis zum 15. Dezember gezahlt sind, ob die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen erhalten bleiben“, so Grunau. Die Gewerkschaft ver.di, deren Mann für das Bewachungsgewerbe Gerald Richter direkt neben Grunau steht, will einen so genannten Überleitungsvertrag für die Securitas-Mitarbeiter abschließen. Damit solle sichergestellt werden, dass Heros nicht „solche Praktiken“ wie bei anderen Übernahmen anwende, so Richter. Aus Halberstadt und Osnabrück habe man von Druck auf die Betriebsräte gehört, die ihre Mandate aufgeben sollten. „Lasst euch nicht ins Bockhorn jagen, steht zusammen“, appelliert Richter an die Mitarbeiter. Heros wolle sie vielleicht mit einer Brutto-Lohnerhöhung von 100 Euro ködern, so Betriebsratschef Grunau. „Aber vorher muss jeder den Aufhebungsvertrag mit Securitas unterschreiben – damit sind alle Ansprüche erledigt.“ Dies hätte Folgen, denn die meisten der Potsdamer Mitarbeiter sind seit acht Jahren oder länger bei Securitas und 50 Jahre oder älter. „Auf dem Arbeitsmarkt haben wir keine Chance mehr“, sagt einer von ihnen. Sie haben bereits die Reduzierung der Beschäftigtenzahl um mehr als die Hälfte überstanden – und sollten sie ihre Jobs behalten, fürchten sie um die Konditionen. Heros gelte als Billiganbieter, so die Gewerkschaft. Netto 1200 bis 1250 Euro verdiene man jetzt bei 180 Monatsstunden, Zuschlägen und bezahlten Überstunden, so ein Mitarbeiter. Bei Heros werde bis zu 250 Stunden gearbeitet – für weniger Geld.

Als unerträglich empfinden die Mitarbeiter die ungeklärte Lage. „Es kann nicht sein, dass die Beschäftigten seit mehr als einer Woche im Unklaren gehalten werden“, sagt ver.di-Mann Richter. Auch der Landtagsabgeordnete Petke und sein Kollege Hans-Jürgen Scharfenberg von der Linkspartei.PDS sehen Heros in der Pflicht, „vernünftige Gespräche“ mit dem Betriebsrat zu führen. Innenminister Jörg Schönbohm habe bereits einen Brief an Heros geschrieben. Am gestrigen Tag aber bleibt der Eindruck von Sprachlosigkeit. Presseanfragen werden von der Firma Heros zum Ex-Securitas Geld- und Wertransporte-Chef Oliver Seiter und von seiner Assistentin wieder zurück zu Heros verwiesen. Fazit: Keine Auskunft.

Die Potsdamer Belegschaft droht angesichts dieser Lage mit Protesten. Habe sich bis kommenden Montag nichts bewegt, so Betriebsratschef Grunau, „werden wir hier noch länger stehen – so lange, bis Heros begriffen hat, dass sie so mit uns nicht umspringen können“. Ver.di will zudem bewirken, dass das Kartellamt die Übernahme prüft. Heros habe durch sie eine marktbeherrschende Stellung. Auch Petke sagt, dass sich der Eindruck aufdränge, der Zweck des Kaufs seien „eine Marktbereinigung und anderes“. SCH

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