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Eine wunderbare Kolonialisierungskomödie mit vertauschten Rollen hat HFF-Student Jasper Ahrens mit The Day Winston Ngakambe Kame to Kiel gedreht

© HFF

Von Stefanie Amelung: Durchbohrt von Messern und Gabeln

Potsdamer Studenten der HFF und ihre „Filme zum Thema Toleranz“

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„Niemand hat etwas gegen Ausländer. Bei Problemen mit einem Deutschen findet man ja auch nicht gleich alle Bundesbürger schlecht.“ Eine Aussage aus dem Film „Wessen Straße ist die Straße?“, für den Babelsberger Filmstudenten Potsdamer Bürger zu ihrem Verständnis von Toleranz befragt haben. Ein Beitrag zum Projekt „Spots für Toleranz und gegen Rechtsextremismus“.

Die Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) schloss damit an die Diskussion um die Neuschreibung des Potsdamer Toleranzedikts im vergangenen Jahr an, in dessen Zentrum der Gedanke einer offenen und toleranten Stadt stand. In Kooperation mit dem proWissen Potsdam e.V. wurde eine DVD mit elf Kurzfilmen produziert. Die alten und neuen „Filme zum Thema Toleranz“ zeigen den Umgang der Menschen mit Minderheiten: mit Ausländern, Obdachlosen und Menschen, die einfach anders sind als sie selbst. Das Kooperationsprojekt berichtet über Menschen, die ihre Vorurteile kultivieren oder aber versuchen, sie zu überwinden. Die filmischen Beiträge zeigen eine große Vielfalt, mit der die Studenten das Thema „Toleranz“ angehen. Ihr Blick in Dokumentationen oder fiktiven Spots ist manchmal ernst und manchmal ironisch gebrochen, aber immer gestochen scharf.

Der Film „Alles mit Besteck“ von Franziska Meletzky spielt in einem vornehmen Restaurant, wo Gastfreundschaft groß geschrieben wird. Ein Pianist spielt leise im Hintergrund und es wird Sushi gereicht. Die Gäste erfreuen sich an der kulinarischen Exklusivität ihrer Speisen und essen diese hingebungsvoll mit Besteck. Ein Gast aus dem Ausland jedoch nutzt die üblichen Stäbchen. Die übrigen Gäste starren ihn an, verharren in ihren Bewegungen, die Klaviermusik verstummt. Plötzlich sinkt der Mann, durchbohrt von Messern und Gabeln, tot zusammen, das Gesicht in den Fischröllchen. Die Gäste aber wenden sich unbeirrt ihrem Sushi zu.

Der Film „Kleingeld“ von Marc-Andreas Bochert spiegelt die sonderbare Beziehung zwischen einem Bettler und einem Geschäftsmann wider: Jedes Mal nach Feierabend gibt Herr Hoffmann dem vorm Bürogebäude wartenden Bettler ein paar Münzen, ohne ihn anzusehen. Aus Dankbarkeit fängt der Bettler an, Hoffmanns Auto zu putzen. Mit steifem Bein auf eine Krücke gestemmt, schleppt er sich zum Auto, um Hoffmann seine Dankbarkeit zu zeigen. Doch dieser kann ihn an diesem Tag nicht entlohnen, da er nur einen Hunderter in der Tasche hat. Die Summe erscheint ihm zu hoch und so stiehlt er sich davon. Unglücklicherweise fährt er den Bettler an und krönt seine Feigheit noch mit einer Fahrerflucht. Am nächsten Tag ist der Bettler verschwunden. Der Geschäftsmann macht sich auf die Suche, findet ihn und will ihm als verspäteten Dank den Hunderter geben. Der Bettler aber schaut ihn nur verächtlich an und humpelt davon.

„Kleingeld“ ist eine tragikomische, professionell erzählte Geschichte aus dem Berlin der neunziger Jahre, die allein durch Blicke funktioniert. Die Dialoge sind nur schmückendes Beiwerk und eigentlich unnötig. Wegen der 15-minütigen Kürze des Schwarz-Weiß-Films erhalten sie jedoch ihre Berechtigung.

In dem Film „Hase und Igel“ von Sebastian Winkels erzählen Deutsch lernende Menschen unterschiedlicher Kulturen die Geschichte vom Hasen und Igel nach. Eine Arbeit, die von der Filmbewertungsstelle Wiesbaden das Prädikat „Wertvoll“ erhielt. Der Film „Keine Ursache“ von Roberto Manhaes Reis bedient sich vertrauter Vorurteile: Eine Frau wartet an einer Haltestelle, ein dunkelhäutiger Mann steht hinter ihr. Sie fühlt sich bedroht, obwohl von ihm keine Bedrohung ausgeht. Im Bus schließlich beschuldigt sie den Mann des Diebstahls ihrer Uhr. Jasper Ahrens hingegen hat mit „The Day Winston Ngakambe Kame to Kiel“ eine Kolonialisierungskomödie mit vertauschten Rollen gedreht.

Die elf Filme der Studenten verwerten Vorurteile, Feindbilder und Starrsinn. Sie öffnen dem Zuschauer die Augen und zeigen, dass unter der Oberfläche Rassismus und Diskriminierung durchaus präsent sind. Die Spots wollen nicht die Welt verbessern, aber sie bringen den Zuschauer unwillkürlich zum Nachdenken – über sich und über den Umgang mit anderen.

Die DVD gibt es kostenlos beim proWissen Potsdam e.V., Tel. 0331/ 2011525

Stefanie Amelung

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