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Landeshauptstadt: Edelgemüse ausgesiebt

Bornimer Wissenschaftler erfindet eine Spargelerntemaschine – doch die Beelitzer Bauern sind skeptisch

Bornimer Wissenschaftler erfindet eine Spargelerntemaschine – doch die Beelitzer Bauern sind skeptisch Wenn im Frühjahr die Stangen sprießen, frohlockt der Genießer. Der feine Duft, der liebliche Geschmack – Spargel, natürlich vor allem aus Beelitz, ist das wohl begehrteste Edelgemüse. Doch bevor die weißen Gewächse frisch gekocht auf dem Teller liegen, ist Knochenarbeit angesagt. Rund 2500 Saisonarbeiter, die meisten aus Polen, bücken sich auch in diesem Jahr auf den Feldern in und um Beelitz, um mit dem Messer Stange für Stange aus dem Boden zu stechen. Dieser mühevollen Handarbeit wollte Dr. Martin Geyer ein Ende bereiten – und erfand den „Spargelvollernter“. Schon vor fünf Jahren hatte der Leiter der Abteilung Technik im Gartenbau des Leibniz-Instituts für Agrartechnik in Bornim den ersten Prototyp der Erntemaschine gebaut. „Ich hatte mich mit einem Kollegen über die Arbeitskräfteproblematik unterhalten“, erinnert Geyer sich. „Mittelfristig werden auch die Polen nicht mehr bereit sein, für “nen Appel und ein Ei diese Knochenarbeit zu machen.“ Daraufhin legte der gebürtige Stuttgarter los und erdachte folgende Technik: Eine flache Metallplatte bewegt sich knapp über dem Boden und befördert die zu einem Damm aufgeschichtete Erde der Spargelbeete mitsamt den darin wachsenden Spargelstangen auf eine schräge Förderkette. Von dort fällt die Erde wieder herunter, das Edelgemüse bleibt oben und kann gesammelt werden. Allerdings gibt es dabei ein Problem: Die Maschine fördert alle Spargelstangen zutage – und mindestens zwei Drittel von ihnen werden die von der EU vorgeschriebene Länge von 21 Zentimetern für Qualitätsspargel noch nicht erreicht haben. „Das ist eine ökonomische Frage“, sagt Geyer. 40 Prozent des Ertrags gingen verloren, wenn kein Weg gefunden werde, auch die „Kurzen“ zu verkaufen. Außerdem erfordert das mechanische Ernte-Procedere sehr viel Kraft. Pro Hektar Spargelfeld, so der Wissenschaftler, muss die Maschine rund 900 Kubikmeter Erde hochheben und durchsieben – das sind 90 Lkws voll. „Dann haben wir hier ja einen Tagebau“, kommentiert Manfred Schmidt, Vorsitzender des Beelitzer Spargelvereins, diese Vorstellung. Für ihn ist die Spargelerntemaschine sowieso „völliger Blödsinn“. Dass den Spargelbauern in Zukunft die Spargelstecher ausgehen könnten, daran glaubt er nicht. Natürlich, die Löhne würden steigen, aber darauf sollten die Bauern lieber mit Ertrags- und Qualitätssteigerungen reagieren und die Sortierung und Verpackung des Spargels automatisieren. „Dass deutsche Ingenieure es schaffen, eine Spargelerntemaschine zu bauen, ist selbstverständlich. Aber man sollte besser den gesunden Menschenverstand einsetzen“, sagt der studierte Landmaschinentechniker Schmidt. Nicht Skepsis, sondern Begeisterung hat die Präsentation der Maschine dagegen auf der Messe Agritechnica 2003 hervorgerufen: Sie wurde mit einer goldenen Innovationsmedaille ausgezeichnet. Dort präsentiert hatte sie die Firma HMF Maschinenbau aus Münster – denn der kleine, auf Spargelanbaugeräte spezialisierte Betrieb hat die Bornimer Erfindung in die Realität umgesetzt. 40 000 bis 50 000 Euro soll die Maschine kosten, Interessenten gebe es auch, sagt Marion Hermeler von HMF. Aber nicht aus Deutschland. Wenn also in Zukunft maschinell geerntetes Edelgemüse serviert wird, dann kommt es nicht aus Beelitz – sondern aus Spanien, Italien oder der Schweiz.

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