Landeshauptstadt: Effis Kleider
Schloss Marquardt ist seit Jahrzehnten ein beliebter Filmschauplatz: Im Jahr 2007 entstand hier „Effi Briest“
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5000 Kleider, davon allein 70 für Effi Briest, die Hauptfigur des gleichnamigen Films: Mit einem rollenden Atelier im Lkw kam Kostümbildnerin Lucie Bates für die Neuverfilmung des Fontane-Klassikers 2007 zum Drehort Schloss Marquardt. 20 Schneiderinnen hatten Kleider, Blusen, Mäntel und Nachtwäsche im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts gefertigt, gleichzeitig suchte Bates europaweit bei Antiquitätenhändlern nach passenden Einzelstücken. Der fünfte und neueste Effi-Film von Regisseurin Hermine Huntgeburth, der 2009 auf der Berlinale Premiere feierte, sei eine besondere Herausforderung gewesen, erinnert sich die Kostümbildnerin, die gerade in Babelsberg „Russendisko“ abgedreht und auch das Actiondrama „Wer ist Hanna?“ ausgestattet hat.
Am Mittwochmittag kehrte Lucie Bates zurück an den Drehort in Marquardt – diesmal ohne Lkw. Anlass war die Aktion „Filmschauplatz des Monats“ im Rahmen des Filmjahres Potsdam. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hisste gemeinsam mit dem Marquardter Ortsvorsteher Wolfgang Grittner und Michael Fritz vom Kultur- und Heimatverein Wublitztal eine Filmfahne. Damit soll auch die Bedeutung der zentrumsfernen ländlichen Ortsteile für den Filmstandort Potsdam hervorgehoben werden, betonte Jakobs.
In der Tat ist Schloss Marquardt bereits seit Jahrzehnten beliebter Drehort, wie Wolfgang Grittner in seiner Funktion als Ortschronist berichtete: In den 1930er Jahren sollen sich den Berichten alter Marquardter zufolge Ufa-Stars wie Zarah Leander, Gustaf Gründgens, Gustav Fröhlich oder Theo Lingen die Klinke in die Hand gegeben haben. Der erste sicher bekannte Spielfilm ist „Der Kahn der fröhlichen Leute“ von 1949 – eine Wiederaufführung des Films unter freiem Himmel im vergangenen Sommer wurde mit mehr als 200 Zuschauern zum großen Erfolg, wie Michael Fritz berichtete. Das Freiluftkino Marquardt soll zur festen Reihe werden – in diesem Jahr wird am 27. August „Effi Briest“ gezeigt.
Vor allem seit den 1970er Jahren etablierte sich Marquardt als Drehort – eine Liste mit 35 Filmen hat Grittner zusammengestellt. Auch Einwohner von Marquardt sind auf der Leinwand dabei – als Komparsen. Grittner erinnerte etwa an den Dreh zu „Das Waisenhaus“ mit Witta Pohl im Jahr 1999, bei dem Marquardter Kinder mitspielten. Unvergessen im Ort sind auch die Dreharbeiten zu dem Walzer-Film „Johann Strauß - König ohne Krone“ 1987: Als sich die Nachricht verbreitete, dass „Dallas“-Darstellerin Audrey Landers vor der Kamera steht, hätten sich die Marquardter am Schloss „die Nasen plattgedrückt“, erzählt Grittner.
Jede Woche bekomme er Anfragen von Filmteams, berichtet Schlossverwalter Mike Sprenger. Aktuell plane etwa ein Fernsehsender einen Film zum sagenumwobenen Bernstein-Zimmer, auch eine französische Produktionsfirma habe die Räumlichkeiten für ein Barock-Projekt besichtigt. Auch bei Hochzeitsgesellschaften ist das Schloss mit Festsaal und Terrasse mit traumhaftem Seeblick ein Renner: Von Mai bis Oktober gebe es an jedem Wochenende eine Hochzeit, sagt der Kastellan. 900 Euro koste die Miete.
Die Zukunft des Gebäudes ist dagegen weiter unsicher. Seit mittlerweile elf Jahren gehört Schloss Marquardt einer Münchener Immobilienfirma, die dringend nötige Sanierung kommt allerdings nur kleckerweise voran – so gibt es heute immer noch keine Heizung. Sprenger würde das Schloss gerne auch jenseits der Ausstellung „Rohkunstbau“, die im Juli wieder eröffnen wird, öffentlich zugänglich machen, wie er sagt. Dazu sei er in Gesprächen mit den Besitzern. Ab dem Wochenende jedenfalls wird der Marquardter Lavendelhof einen Imbiss im Schlosspark öffnen – „probeweise“ .
„Effi Briest“ läuft am 26. Juni um 18 Uhr im Filmmuseum, Breite Straße 1a, und am 27. August um 21 Uhr im Freilichtkino Schlosspark Marquardt
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