Homepage: Egal ob Berlin, Potsdam oder Hongkong
Filmstudent Martin Gypkens hat einen Film gedreht, der für Aufsehen sorgt. Jetzt läuft „Wir“ in den Kinos an.
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Filmstudent Martin Gypkens hat einen Film gedreht, der für Aufsehen sorgt. Jetzt läuft „Wir“ in den Kinos an. Von Caro Kölske In den unbequemen Stühlen im großen Saal des Berliner International-Kinos sitzen junge Leute, Studenten vielleicht, wahrscheinlich sogar Filmstudenten. Manch einer schmökert in einem Buch, andere trinken Fanta und Cola. Von einer Premierenfeier ist nicht viel zu bemerken. Noch nicht. Martin Gypkens, Regisseur und Drehbuchautor des HFF-Diplomfilms „Wir“, gibt erste Interviews. „Der Film könnte in jeder x-beliebigen Stadt spielen, egal ob nun in Berlin, Potsdam oder Hongkong. Hauptsache dort, wo viele junge Leute zusammen treffen und auf der Suche nach Glück sind“, sagt er. Es ist ihm wichtig, dass sein Publikum dies weiß. Von Babelsberg nach Hongkong und zurück: Dass ein Abschlussfilm der Potsdamer Filmhochschule HFF auf dem MAX Festival in Hongkong auf viel beachtetes Interesse stößt, wünscht sich so gut wie jeder Filmstudent. Für den jungen Regisseur Martin Gypkens ist dieser Traum Realität geworden. Vor knapp einem Jahr feierte der Film „Wir“ auf dem Saarbrücker Festival Max-Ophüls Premiere und holte zugleich den Förderpreis des Festivals an die Babelsberger Filmhochschule. Nun hat es der Nachwuchsfilm auch in die deutschen Kinos geschafft. Dabei hatte es der Filmemacher anfangs nicht leicht. Die Idee zum Film fand Gypkens im eigenen Freundeskreis. Schnell wurde klar, dass anhand der vielen Figuren ebenso viele Facetten einzelner Individuen darzustellen sein müssten. Je mehr der Stoff anwuchs, desto klarer wurde auch dem Drehbuchautor, dass die Generation der Mitte-20-Jährigen nicht über einen Kamm zu scheren ist. Doch der Film beinhaltet noch mehr: Auf der Suche nach der großen Liebe und dem richtigen Studienfach erzählt „Wir“ nicht nur von unerfüllten Wünschen und Hoffnungen, sondern zeigt ebenso wie schwer es für junge Menschen ist, den Balanceakt zwischen Illusion und Realität zu halten. Die harte Arbeit und womöglich einige schlaflose Nächte haben sich gelohnt, wie der bisherige Erfolg des Films zeigt. Auch bei den Kommilitonen stößt der Film auf viel Zuspruch. „Die Schauspieler sind großartig und die Story erinnert mich an mein eigenes verrücktes Leben“, lautet der spontane Kommentar einer Filmstudentin. Es kommt auch nicht allzu oft vor, dass ein Film der HFF schon nach zwölf Monaten den Sprung in die deutschen Kinos schafft. Zu beliebt sind beim deutschen Kinopublikum immer noch Filme à la Hollywood. Erzählt wird die Geschichte von zehn jungen Frauen und Männern, die schon seit der Schulzeit miteinander befreundet sind. In der wichtigsten Phase ihres Lebens plagen sie sich mit üblen Beziehungproblemen, defekten Zigarettenautomaten sowie unbezahlten Telefonrechnungen herum. Entstanden als Abschlussfilm seines Studiums entschied sich der 34-jährige Filmemacher für die Form eines Ensemblefilms, der keine Haupt- und Nebendarsteller hat. „Alle Charaktere sind gleichermaßen wichtig und gleichberechtigt“, so Gypkens. Und er beteuert ganz selbstbewusst, dass „Wir“ nicht nur sein Abschlussfilm ist, sondern auch sein Debütfilm. Auf den großen Festivals der Welt – Berlinale, Karlovy Vary, Brüssel, Hongkong, Melbourne und in London – begeisterte „Wir“ Fachpresse sowie Festivalpublikum gleichermaßen. Gute Kritiken sowie mehrere Nominierungen und Auszeichnungen waren für den Zauberland-Filmverleih Grund genug „Wir“ in die Kinos zu bringen. Künftig will sich das noch junge Unternehmen mehr den Filmen „Made in Germany“ widmen. Sollte es in Zukunft weiterhin Filme wie „Wir“ geben, so ist der Verleih auf dem richtigen Weg. Regisseur Martin Gypkens hat noch viel vor. Er will sich demnächst einer Literaturverfilmung widmen, auch hier als Drehbuchautor und Regisseur. Parallel dazu sollen noch zwei weitere Drehbücher entstehen: eine Komödie und ein melancholisches Portrait der Gesellschaft. Nach dem unerwartet dramatischen Ende des Films, das dennoch ein Fünkchen Hoffnung zulässt, ist der Applaus, ja sogar Jubel im Kinosaal groß. Wenn am Anfang kaum etwas nach einer Premierenfeier aussah, so ist spätestens jetzt klar, dass dies keine normale Kinovorstellung war, sondern die Premiere eines ganz außergewöhnlichen Films.
Caro Kölske
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