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Landeshauptstadt: Ehrenrunde für den Baumschutz

Stadtpolitik kommt Protesten entgegen. Neue Verordnung muss erneut ausgelegt werden

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Grablichter brannten. Ein halbes Dutzend Äste verschiedenen Umfangs lagen bereit. Und aus einem Lautsprecher dröhnte das Geräusch einer Motorsäge. Für ihre Demonstration vor dem Rathaus hatten Potsdamer Baumschützer einige Utensilien mitgebracht, um auf ihr Anliegen hinzuweisen: Der ihrer Ansicht nach falsche und schädliche Entwurf der Verwaltung zur neuen Baumschutzverordnung. Zum Protest aufgerufen hatte der frühere Grünen-Stadtverordnete Andreas Menzel, der sich seit langer Zeit für strenge Regeln zum Baumschutz einsetzt.

Anlass der Kundgebung, zu der ein knappes Dutzend Teilnehmer erschien, war die gleichzeitige Sitzung der Stadtverordneten im Plenarsaal im ersten Obergeschoss, auf deren Tagesordnung die Novelle der Potsdamer Baumschutzverordnung am Mittwoch stand. Bäume sind in Potsdam immer ein umstrittenes und emotionales Thema. Das sollten die Stadtverordneten nach dem Willen der Demonstranten auch nicht vergessen. Und wären die ersteren sich in ihrer Sitzung dem Thema näherten dröhnte das Kettensägengeräusch durch die Fenster.

Tatsächlich wird es zunächst erstmal keine neue Baumschutzverordnung geben. Der Entwurf muss nach dem gestrigen Beschluss der Stadtverordneten noch eine Ehrenrunde drehen. Grund ist, dass die vom Bauausschuss vorgeschlagenen und am Mittwoch von den Stadtverordneten beschlossenen Änderungen am Entwurf der Verwaltung so weitreichend sind, dass das Papier nun erneut ausgelegt werden muss. Und dass, nachdem es bereits zwei Jahre lief. Nun könnten noch ein paar Monate dazukommen.

Nach dem geänderten Entwurf wären nur noch Bäume ab 45 Zentimetern Umfang innerhalb bebauter Ortsteile geschützt. Außerhalb soll bis 60 Zentimeter Stammumfang auch ohne Genehmigung die Axt angesetzt werden dürfen. Parkanlagen können auf Antrag von der Verordnung ausgenommen werden, sofern es ein Pflegekonzept für den beantragten Bereich gibt. Ebenfalls ohne Genehmigung gefällt werden dürften dann auch Bäume, die weniger als drei Meter von einem Wohngebäude entfernt stehen – egal welchen Umfang sie haben und ohne die Pflicht zu einer Ersatzpflanzung.

Der ursprüngliche Entwurf der Verwaltung ging sogar noch weiter. Er sah vor, dass generell nur noch Bäume mit mehr als 60 Zentimeter Stammumfang geschützt werden sollten. Rund 500 Bäume mehr sollten so künftig legal ohne Genehmigung fallen – jedes Jahr. An den Vorschlägen gab es heftige Kritik. Laut Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) steht sie in Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der Stadt. Bisher dürfen nur Bäume mit einem Stammumfang von weniger als 30 Zentimetern ohne Genehmigung gefällt werden. Im Frühjahr war der Verwaltungsentwurf schon einmal öffentlich ausgelegt worden. Inhaltlich hatte es daraufhin aber keine wesentlichen Änderungen gegeben.

Mehr als 200 Potsdamer und Naturschützer hatten in den vergangenen Monaten gegen die lascheren Regeln für den Baumschutz protestiert. Das hatte zwar die Verwaltung nicht umgestimmt, aber die Stadtpolitik aufgeweckt. Auch am Mittwoch gab es Widerspruch in der Debatte: Julia Laabs von der Fraktion Die Andere kritisierte die vorgeschlagenen Änderungen. „Diese Verordnung verdient ihren Namen nicht.“ Ein ökologisch wertvoller Baumbestand könne sich nicht entwickeln, wenn 50 Jahre alte Bäume ohne Genehmigungspflicht gefällt werden dürfen. So lange brauche beispielsweise eine Eiche, um auf 60 Zentimeter Stammumfang zu wachsen.

Vorerst gilt nun noch die alte Verordnung weiter. Ein neuer Beschluss muss allerdings dennoch her. Denn bereits im Sommer ist die noch geltende, strengere Baumschutzverordnung vom Potsdamer Verwaltungsgericht gekippt worden. Allerdings hat die Verwaltung Beschwerde eingelegt, damit kein rechtsfreier Raum entsteht. Eine Dauerlösung ist das nicht. Andere Kommunen mit ähnlich strengen Regeln wie Potsdam haben bereits Verfahren verloren.

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