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Landeshauptstadt: Eigene Wohnung statt Pflegeheim

IG Bau fordert Sanierung im Sinne der Senioren / 750 Interessenten in Gewoba-Musterwohnung / 60 Wohnanpassungen erfolgten

Stand:

Potsdam fehlen in den nächsten zehn Jahren bis zu 1000 Pflege- und Altenheimplätze. Das resultiert zumindest aus den demografischen Zahlen für die Landeshauptstadt „und unter der Voraussetzung, dass 50 Prozent der dann Betagten in einem Heim untergebracht werden müssten“, sagte die Sozialbeigeordnete Elona Müller (parteilos). Für viele alte Menschen komme die Heimunterbringung aber einer Abschiebung gleich, weiß Müller. Ihr erklärtes Ziel sei deshalb, Senioren – auch wenn sie pflegebedürftig sind – möglichst lange in ihrem gewohnten Umfeld zu belassen. Die Stadt verfüge dennoch über mehr als 1000 stationäre Pflegeplätze – aufgeteilt auf 13 Pflegeheime. Diese Anzahl aber in den nächsten Jahren zu verdoppeln, halte die Beigeordnete für utopisch. „Das können wir gar nicht.“

Die jüngst von der Industriegewerkschaft (IG) Bauen, Bezirksverband Brandenburg, ausgegebene Richtlinie „Eigene Wohnung statt Pflegeheim“ stößt deshalb bei der Sozialbeigeordneten auf Zustimmung. Verbunden ist die Forderung der IG Bau mit dem Auftrag, vorhandenen Wohnraum entsprechend umzurüsten. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Zahlen des statistischen Landesamtes, wonach im Jahr 2030 rund 42 000 Potsdamer älter als 65 Jahre alt sind. Bisher gebe es aber einfach zu wenige Wohnungen, die altersgerecht umgebaut seien, erklärte Rudi Wiggert von der Industriegewerkschaft.

„Wir sind dabei“, sagte Andreas Wandersleben, Sprecher von Potsdams größtem Vermieter, der Gewoba auf PNN-Anfrage. Vor knapp zwei Jahren hatte das Unternehmen in der Newtonstraße 7 eine Musterwohnung eingerichtet, in der alle möglichen Wohnungsanpassungsmaßnahmen wie barrierefreie Duschkabine, automatische Herdüberwachung oder das Hausnotrufsystem demonstriert werden. Wer es sich leisten könne, würde solche Umbauten schon vornehmen, bevor es zur Pflegebedürftigkeit komme, sagte Elona Müller. Im Bedarfsfall träten aber auch Kranken- und Pflegekassen finanziell ein.

Bereits 750 Interessenten hätten die exemplarische Gewoba-Wohnung besichtigt und sich erstberaten lassen, sagte Wandersleben. Insgesamt seien bisher knapp 60 Wohnraumanpassung vorgenommen worden oder befänden sich gerade in der Planung. Des weiteren verfüge der Arbeitskreis Stadtspuren, dem neben der Gewoba der Bauverein Babelsberg, Gewoba e.G. Babelsberg, Potsdamer Wohnungsgenossenschaft 1956, Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ Potsdam und die Wohnungsbaugenossenschaft 1903 angeschlossen seien, über einen guten Bestand an altersgerechtem Wohnraum. Von den gemeinsam bewirtschafteten 30 000 Wohnungen – das entspreche etwa der Hälfte aller Mietwohnungen in Potsdam – seien 2640 ebenerdig, 2836 mit einem Aufzug erreichbar. Außerdem gebe es 141 Wohnungen, die nach DIN-Norm behindertengerecht seien, so Wandersleben.

Trotzdem sei die Nachfrage nach altersgerechtem oder betreutem Wohnen nach wie vor groß, sagte Beigeordnete Müller. Oft fragten die an, die noch keinen Betreuungsbedarf hätten. „Sie wollen für sich vorsorgen und möglichst bis zum Lebensende in der eigenen Wohnung bleiben.“

Nicola Klusemann

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