"Karli" gesperrt: Eigentor mit der Grasnarbe
Es war wohl nicht der beste Rasen, der kurz im Juli 2011 vor Saisonbeginn im Karl-Liebknecht-Stadion verlegt worden war. Und das obwohl dies Teil der acht Millionen Euro teuren Sanierung des Stadions aus Konjunkturpaketmittel war.
Stand:
Babelsberg - Es war wohl nicht der beste Rasen, der kurz im Juli 2011 vor Saisonbeginn im Karl-Liebknecht-Stadion verlegt worden war. Und das obwohl dies Teil der acht Millionen Euro teuren Sanierung des Stadions aus Konjunkturpaketmittel war. Am gestrigen Montag kam nun die Quittung dafür. Der 1. FFC Turbine Potsdam kann sein Rückspiel im Champions-League-Halbfinale nicht im heimischen Stadion – im Volksmund Karli – austragen. Auch für den Fußball-Drittligisten SV Babelsberg 03, der der in seinem Heimstadion für den Rasen zuständig ist, könnte der Fall ein Nachspiel haben. Denn Probleme gab es mit dem aus Steuermitteln bezahlten Rasen von Beginn an.
Gestern prüfte ein Uefa-Beautragter den Zustand des Platzes und sperrte diesen vorläufig für Partie der Fußballerinnen gegen Olympique Lyon. Der Rasen sei nicht regelkonform bespielbar, es bestehe ein Risiko für die Spielerinnen, zudem drohe bei Regen „Verschlammung“. Die Europäische Fußball-Union hatte Turbine schon nach dem Viertelfinale aufgefordert, die Platzverhältnisse zu verbessern. Da dies offenbar ausblieb, verhängte die Uefa nun diese weitreichende Sanktion. Verzweifelte Rettungsversuche der Turbine-Vereinspitze blieben gestern erfolglos. Die Rathausspitze lehnte am Ende einer bis in den Abend dauernden Krisensitzung eine finanzielle Nothilfe ab. Konkret lag das Angebot einer Rasenfirma vor, die für Kosten von 110 000 bis 130 000 Euro einen neuen Rasen verlegt hätte. Stadtsprecher Jan Brunzlow sagte: „Wir glauben nicht daran, dass es möglich ist, bis Sonntag einen Rasen neu zu verlegen, der nachhaltig und gut bespielbar ist in den kommenden Monaten. Wir bedauern es sehr, wir können nicht helfen.“
Turbines Cheftrainer Bernd Schröder hatte schon am frühen Montagnachmittag, als er nach der Rückkehr vom Champions-League-Spiel bei Olympique Lyon (1:5) von der UEFA-Sperre für das „Karli“ erfuhrt, die fachgerechte Verwendung der acht Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II für die Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions in Frage gestellt. „Es muss gefragt werden, wie diese Fördermittel eingesetzt wurden. Sie standen Schulen und Kitas nicht zur Verfügung, um ein bespielbares Stadion zu schaffen. Ein Stadion, das jetzt von der UEFA gesperrt wurde. Das ist ein Armutszeugnis für die Stadt Potsdam!“ Auch für das Rathaus stellt sich laut Brunzlow die Frage, „warum der Rasen nach neun Monaten schon nicht mehr bespielbar“ ist. „Das wollen wir gemeinsam mit dem Verein erörtern.“
Insider sprechen davon, dass der verlegte Rasen minderwertig war und die SVB-Spitze früh gewarnt wurde. Es sei „an der falschen Stelle gespart“ worden. „Was man im Herbst falsch macht, kann man im Frühjahr nicht mehr reparieren“, sagte ein Kenner. Zwar gab es im Frühjahr immer Probleme mit dem Rasen entlang der Sitztribüne, die ab mittags einen breiten Schatten auf den Platz wirft, weshalb sich das Grün dort nur schlecht erholt. Nun ist aber von der Außenlinie ein Drittel des Platzes der reinste Acker. „Es ist tot, da wächst nichts mehr durch.“
Selbst SVB-Trainer Dietmar Demuth sagte: „Ich glaube nicht, dass es die richtige Qualität, nicht der richtige Fußballrasen war. Man hatte schon Bedenken, das hat sich nun bewahrheitet. Dafür gibt es viele Gründe, ich will aber nicht nachkarten.“ Inzwischen ist der Karli-Rasen in der Dritten Liga berüchtigt. Gerd Schädlich, Trainer des Chemnitzer FC, stellte Anfang März fest: „Es ist eine Katastrophe, was hier angeboten wurde.“
SVB-Geschäftsführer Klaus Brüggemann spricht von einer „unbefriedigenden Situation“ und einer „Pferdekoppel“. Er halte den Rasen für suboptimal, dieser haben von Anfang an keinen idealen Eindruck gemacht. Die Entscheidung über den Rasen aber fiel noch unter seinem Vorgänger Ralf Hechel, der vor gut einem Jahr, als dem SVB die Zahlungsunfähigkeit und der Zwangsabstieg drohte, seinen Posten räumen musste, aber weiterhin für die Stadionsanierung zuständig blieb. Überdies hätten dem Platz mehrere ungünstige Umstände zugesetzt: Er sei durch Bauverzug bei der Stadionsanierung relativ spät verlegt worden, bereits zwei Wochen später absolvierte der SVB sein ersten Liga-Spiel darauf. Hinzu kam der kalte, feuchte Sommer, die Doppelbelastung durch SVB und Turbine. „Ein junger Rasen braucht Zeit, um zu kommen. Und der Rasen braucht Ruhezeiten, die konnten nicht eingehalten werden“, sagte Brüggemann. Nach den noch anstehenden drei Spieltagen – es geht um den Klassenerhalt – soll in der Sommerpause der Rasen wieder hergerichtet werden. „Wir hoffen, dass das Wetter mitspielt.“
Turbine reagierte enttäuscht auf die Entscheidung der Stadt Potsdam. „Dass die Stadt glaubt, diese Aufgabe sei in der Kürze der Zeit nicht zu schaffen, ist für uns nur eine Ausrede“, erklärte Turbine-Geschäftsführer Mathias Morack. „Wir hatten eine solide und seriöse Firma an der Hand, der wir diese Aufgabe zugetraut hatten. Jetzt müssen wir nach einem Ausweich-Stadion suchen.“ Als eventueller Schauplatz des Halbfinal-Rückspiels wird derzeit das Ludwigsfelder Waldstadion geprüft. „Aber egal, wohin wir ausweichen müssen – das bringt immense Zusatzkosten für uns mit sich“, so Morack. „Wir hatten für das Rückspiel bereits rund 1500 Tickets im Vorverkauf veräußert, darunter 1000 Sitzplätze. Was passiert, wenn die jetzt zurückgegeben werden?“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: