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Wo verhandelt wird. Das Landgericht Potsdam im Justizzentrum an der Jägerallee ist Schauplatz des Prozesses gegen den mutmaßlichen Doppelmörder Silvio S.

© Andreas Klaer

2. Prozesstag im Verfahren gegen Silvio S. in Potsdam: Ein Außenseiter

Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder Silvio S. haben Gartennachbarn, Vorgesetzte und ein Freund den Angeklagten als verschlossenen Einzelgänger beschrieben. Der 33-Jährige schweigt weiter.

Stand:

Potsdam - Die Appelle von Richter Theodor Horstkötter an den mutmaßlichen Kindermörder Silvio S., endlich sein Schweigen zu brechen, sind bisher ergebnislos geblieben. Auch am Montag, dem zweiten Prozesstag am Potsdamer Landgericht, äußerte sich der Angeklagte nicht. Dabei hatte sich Horstkötter gleich zu Beginn erneut an den 33-Jährigen gewandt, sich speziell zu den Umständen der Tötung des sechsjährigen Elias aus Potsdam zu äußern. Bereits zum Auftakt des Verfahrens in der vergangenen Woche hatte der Richter dem Angeklagten ins Gewissen geredet: Die Eltern der mutmaßlich von ihm getöteten Kinder hätten einen Anspruch darauf, zu erfahren, was passiert sei. „Es gibt nur einen, der das weiß.“

Der Verteidiger von S., Mathias Noll, schloss eine Aussage erneut zumindest nicht aus. Vielleicht könne bisher unbekanntes Bild-Material der Rechtsmedizin für die Aussage hilfreich sein, sagte der Jurist – die auf einer CD gespeicherten Bilder von der Obduktion des Leichnams von Elias wurden am Ende des Verhandlungstags ohne weiteren Kommentar an die beiden Anwälte von S. übergeben.

Ruhig, zurückhaltend, verschlossen

Zuvor waren rund fünf Stunden lang Zeugen vernommen worden, die über die Persönlichkeit des Angeklagten aussagen sollten. Doch wichtige neue Erkenntnisse gab es dabei nicht. Silvio S. wirdvorgeworfen, im vergangenen Jahr nacheinander die beiden Jungen Elias und Mohamed entführt und umgebracht zu haben. Der vierjährige Mohamed wurde laut Anklage von ihm missbraucht. Bei Elias soll der Wachmann dies zumindest versucht haben. Bei den ersten Vernehmungen durch die Polizei hatte er beide Taten eingeräumt.

Ruhig, zurückhaltend, schüchtern und verschlossen sei er gewesen, schilderte einer der offenbar wenigen Freunde des Angeklagten, der aus dem Dorf Kaltenborn bei Niedergörsdorf (Teltow-Fläming) stammt. Der 30 Jahre alte Kfz-Meister Martin K. hatte mit S. und anderen Freunden vor fünf Jahren eine Auto-Werkstatt eröffnet, dort trafen sie sich ein-, zweimal die Woche – zum Schrauben, Computerspielen oder YouTube-Videos-Gucken. Pornofilme habe man aber nicht angesehen, so K. auf Nachfrage. Generell habe Silvio S. nie über Sex gesprochen: „Von seiner Seite kam da gar nichts.“

Jedoch habe der Angeklagte versucht, im Internet über ein Dating-Portal Frauen kennenzulernen. „Er fragte mich, was er so schreiben könnte“, so K. – bei S. habe es nur für ein „Hallo“ gereicht. „Mehr kam da nicht.“ Einmal sei man zusammen in eine Potsdamer Diskothek gegangen. Doch auch da habe sich S. sehr ruhig verhalten, „er stand in der Ecke“. Vor etwa fünf Jahren habe S. auch für ein Mädchen aus dem Dorf geschwärmt, so K. – doch dabei blieb es offenbar auch.

Schwierig, Stimmungslage des Angeklagten zu erkennen

Allerdings habe S. mehrfach über Geldprobleme gesprochen, nachdem er mit seinen Eltern das Haus gekauft hatte, in dem später Mohamed erdrosselt wurde. Seine Wohnungseinrichtung habe S. offensichtlich nahezu komplett von seinem Vormieter übernommen, schilderte K. seine Eindrücke nach einem Kurzbesuch vor fünf Jahren – es habe alt gerochen.

In den Monaten vor der Verhaftung sei S. noch ein bisschen ruhiger geworden, habe öfter auf sein Smartphone geschaut. Doch generell sei es schwierig gewesen, so K., die Stimmungslage des Angeklagten zu erkennen. Kurz vor der Verhaftung von S. habe ein Kumpel ein Fahndungsbild per Handy herumgeschickt, auf dem dieser zusammen mit Mohamed zu sehen war. Das sei ein Schock gewesen: „Das konnte sich niemand vorstellen.“

Silvio S. habe einen Waffenschein besessen

Auch die Vorgesetzten von Wachmann S. konnten nur wenig zur Erhellung beitragen. Ein eher verschlossener Einzelgänger sei er gewesen, so sein Abteilungsleiter. Bei einer Kontrolle habe sich einmal herausgestellt, dass S. seinen Wachdienst nur oberflächlich ausgeführt habe – also ein zu bewachendes Objekt, vermutlich aus Bequemlichkeit, nicht komplett bestreifte. Deswegen sei S., der nur Nachtstreifen unternahm, auch ermahnt worden. Der Geschäftsführer des Wachschutz-Unternehmens sagte ferner, nach der Silvesternacht 2013 hätten sich Bürger beschwert, weil S. mit seinem Auto über Feuerwerkskörper gefahren sei. Ansonsten habe es keine Beanstandungen gegeben, das polizeiliche Führungszeugnis sei einwandfrei gewesen. Zudem hätte S. einen Waffenschein für Pistolen besessen.

Ebenso wurde der frühere Chef der Kleingartensparte in Luckenwalde vernommen, in der Silvio S. den Leichnam von Elias auf einem gepachteten Grundstück unter einem zugeschütteten Gartenteich vergraben hatte. Mehrfach habe sich der Angeklagte in seiner Parzelle 27 nicht an vereinbarte Regeln gehalten, sagte Kleingärtner Jürgen K. – so sei das Gelände verwildert gewesen. Schriftlich habe man im Mai und Juli 2015 S. aufgefordert, seine Parzelle aufzuräumen. Zwei andere Gartennachbarn beschrieben S. als unnahbar. Für sein Alter sei er zu ruhig gewesen, habe sogar einen depressiven und manchmal etwas unheimlichen Eindruck gemacht, sagte eine 61-Jährige. Stets habe er dieselben Sachen getragen, eine helle Hose und einen hellen Pullover.

Plastikbox im Garten

Eine 27-jährige Nachbarin erzählte, ein oder zwei Tage nach dem Verschwinden von Elias sei S. mit einem Auto vorgefahren und habe aus dem Kofferraum eine geschlossene, mindestens einen Meter lange Plastikbox in seinen Garten getragen. Die Kiste sei offenbar voll gewesen, „er hatte Schweißperlen auf der Stirn“.

Ob in der Kiste der Leichnam von Elias war? Das blieb vor Gericht unklar. Denn Silvio S. hörte den Aussagen nur zu. Schüttelte nur an manchen Stellen seinen Kopf.

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