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Nick Út zu Gast an der Filmuni Potsdam: Ein Bild für die Ewigkeit

Nick Út wurde für sein Vietnam-Foto des fliehenden Mädchens weltberühmt. Jetzt besuchte er die Filmuniversität Potsdam - und berichtete von alten und neuen Bildern.

Von Sarah Kugler

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Potsdam - Es ist wohl eines der berühmtesten Fotos der Geschichte: Ein nacktes weinendes vietnamesisches Mädchen flieht vor den Napalmbomben, die ihr Heimatdorf zerstören. „Terror of War“ heißt das Bild und wurde am 8. Juni 1972 von dem damals 21-jährigen vietnamesisch-amerikanischen Fotografen Nick Út aufgenommen, der im Auftrag der Presse- und Nachrichtenagentur Associated Press (AP) als Fotoreporter im Vietnamkrieg unterwegs war. Am gestrigen Donnerstag war Út, dem 1973 der Pulitzer-Preis für sein Foto verliehen wurde, in der Filmuniversität Potsdam zu Gast. In dem prall gefüllten Kinosaal präsentierte er verschiedene fotografische Arbeiten und beantwortete die Fragen der Studenten – zumindest teilweise.

Keine Kontrolle über das Bild

Denn nicht immer ging der Fotograf, der am 29. März 1951 in Long An geboren wurde, direkt darauf ein, etwa als die Frage nach der Verantwortlichkeit von Dokumentarfilmern oder eben -fotografen aufkam. Die fragende Studentin bezog sich dabei auf den unfreiwilligen Ruhm, den die damals neunjährige Phan Thi Kim Phúc – sie ist das Mädchen auf dem Bild – durch Úts Bild erlangte, und der in Vietnam zu Propagandazwecken missbraucht wurde. Dazu sagte er nur, dass Kim Phúc selbst das Bild zunächst gehasst hat, weil sie nackt darauf zu sehen war, später sei sie aber dankbar für die Wirkung gewesen. Überhaupt würden sich immer wieder viele Menschen bei ihm bedanken, dass wegen seines Bildes der Vietnam-Krieg zu Ende gegangen sei. Wie und wo das Bild verwendet wurde, darüber habe er keine Kontrolle gehabt. „Letztendlich habe ich die bis heute nicht“, sagte er. „Das Bild wird auf Facebook geteilt, wandert durch das Internet und so weiter – es hat ein Eigenleben.“

Den Erfolg des Fotos bezeichnet er – wie alle seine Erfolge – als reinen „Glücksfall“, dessen Hintergrund natürlich furchtbar grausam war, wie er sagt. „Ich weiß noch, dass ich mich darüber gewundert habe, warum dieses Mädchen vollkommen nackt auf die Straße flieht“, so Út, der seit seinem 16. Lebensjahr für AP arbeitet und im Vietnamkrieg seinen Bruder verlor. „Irgendwann ging mir auf, dass ihre Kleidung verbrannt ist, und auch ihre Haut hing in verbrannten Fetzen von ihr herunter.“ Erst durch mehrere Operationen konnte sich Kim Phúc schließlich wieder normal bewegen und lebt heute mit ihrer Familie in Toronto.

„Ich wollte Vietnam lange Zeit immer nur vergessen“

Bis heute steht Út in Kontakt mit ihr – und auch das Foto verfolgt ihn nach wie vor. „Ich wollte Vietnam lange Zeit immer nur vergessen“, so der 64-Jährige, der im Krieg selbst mehrmals verwundet wurde. „Aber egal wohin ich komme, sobald ich meinen Namen nenne, ist das Thema wieder auf der Bildfläche.“ Zwar ist das berühmte Foto bei Weitem nicht das einzige Bild aus der Zeit, trotzdem wird er immer damit in Verbindung gebracht.

Etwa als er nach vielen Jahren wieder nach Vietnam zurückkehrte und von vielen Menschen erkannt wurde. „Das war wunderbar herzerwärmend wie die Menschen mich sofort begrüßt haben“, erzählt Út, der nach Ende des Vietnam-Krieges in die USA floh und heute in Los Angeles lebt. „Sie haben mich zum Kaffee eingeladen oder wollten einfach nur mit mir sprechen, ich habe so viele Bekanntschaften geschlossen.“ Aber auch bei seiner jetzigen Arbeit profitiere er von seiner Bekanntheit. Als Fotograf in Hollywood habe er es oft mit genervten Stars zu tun, die ihn als Papparazzi beschimpften. „Sobald sie aber wissen, wer ich bin, sind sie ganz freundlich und laden mich sogar in ihre Häuser ein.“

Sein Sohn ergoogelte seine Geschichte

Seinen Kindern hat er seinen Ruhm allerdings lange verschwiegen – sie erfuhren erst von Klassenkameraden, dass ihr Vater ein weltbekannter Fotograf ist. „Mein Sohn hat meine Geschichte dann gegoogelt“, erzählte er und wirkte dabei selbst ein wenig wie ein Kind. „Inzwischen sind ja beide groß, sie können gut damit umgehen.“ Auf die Frage, ob sie auch Fotografen sind, schüttelte Út lachend den Kopf: „Natürlich machen sie aus Spaß mal Fotos, aber beruflich wollen sie das nicht, nein.“ Er selbst könne sich hingegen ein Leben ohne Fotografie kaum vorstellen.

Nur von Kriegsfotografie will er nichts mehr wissen. Er sei sehr froh, in Frieden leben zu können. „Damals in Vietnam war ich noch so jung und ich habe jeden Tag Menschen um mich sterben sehen, es ist gut, dass das vorbei ist“, sagte er mit Nachdruck. Trotzdem interessierten ihn weiterhin menschliche Geschichten und vor allem Emotionen. „Ich mag es, jeden Tag etwas anderes aufzunehmen, verschiedene Gesichter, die mal fröhlich oder mal traurig sind“, so der Fotograf.

Ein bisschen Glück ist auch mit dabei

Viele Stars und Sternchen durfte er dabei schon ablichten. Im Jahr 2007 gelang ihm demnach als einziger Fotograf ein Bild von der weinenden Paris Hilton, die wegen Trunkenheit am Steuer einige Tage ins Gefängnis musste. Vielleicht doch ein wenig Papparazzi?

Stolz sei er allerdings auch auf beeindruckende Aufnahmen von einem Passagierflugzeug vor einem Vollmond, auf die er oft angesprochen werde. „Viele Menschen verstehen nicht, wie ich das gemacht habe, dabei kommt es alles nur auf den richtigen Winkel an“, erklärte er. „Und natürlich ist es auch immer ein bisschen Glück.“ So wie vor wenigen Tagen hier in Deutschland, als ihm ein ausgelassenes, fröhlich lachendes Flüchtlingsmädchen auf den Schultern ihres Vaters vor die Linse kam. „Das ist ein wunderbares Bild geworden“, so Út. „Emotion pur, ich freue mich darüber.“

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