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Sport: Ein bisschen Friedensfahrt

Beim Stahnsdorfer Radrennen „Rund ums Gewerbegebiet“ trafen junge Fahrer die Helden von einst

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Täve Schur macht kein Tempo mehr. Das einstige Radrenn-Idol der DDR muss eigentlich nur die Straße überqueren, um in das blaue VIP-Zelt zu gelangen, wohin ihn die Organisatoren des Stahnsdorfer Radrennens „Rund im Gewerbegebiet“ am Samstagnachmittag gern lotsen wollen. Doch es dauert eine gute Stunde, ehe Täve Schur dort ankommt. Auch ein halbes Jahrhundert nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn hat der zweifache Weltmeister, olympische Medaillengewinner und Friedensfahrtsieger nicht an Popularität verloren. Immer wieder bleibt der 83-Jährige stehen und erfüllt geduldig und lächelnd Autogramm- und Fotowünsche, sodass er nur etappenweise vorankommt.

Die letzte Etappe der Internationalen Friedensfahrt wurde 2006 gefahren, seine Bedeutung als härtestes Amateurradrennen der Welt und als sportpolitisches Werbebanner des Ostblocks verlor die Rundfahrt mit der Wende 1989. Und doch klang es sofort vertraut, als die – Anfang der 1950er-Jahre für den DDR-Rundfunk komponierte – Friedensfahrt-Fanfare über die Wiese des Stahnsdorfer Gewerbegebietes schmetterte und die Stimme von TV-Kommentator Ulrich Jansch durch die Lautsprecherboxen hallte. Kein anderer als der ausgewiesene Kenner des Radsports hätte dem Stahnsdorfer Publikum die einstigen Größen des DDR-Radsports so gut präsentieren können: Axel Peschel, Jan Schur, Uwe Ampler, Lutz Heßlich, Hans-Joachim-Hartnick, Thomas Barth oder Bernd Drogan stiegen in Stahnsdorf aufs Rad zu einer knapp 20 Kilometer langen Friedensfahrt, die Uwe Raab – wie zu seinen aktiven Zeiten – in bester Sprintmanier vor Uwe Ampler gewann.

Die Asse von morgen kommen vielleicht aus Cottbus und Frankfurt (Oder). Dort hat der Brandenburgische Radsportverband (BRV) gleich zwei Leistungszentren mit angegliederten Sportschulen. Für deren Athleten hatte der Landesverband die Stahnsdorfer Wettkämpfe als Sichtungsrennen deklariert, bei denen sie Punkte für die Landesliste sammeln und sich für Einsätze in der Landesauswahl qualifizieren können. Entsprechend groß war der sportliche Ehrgeiz in den gut besetzten Starterfelder. Das Jugendrennen der U 17 gewann Bastian Flicke vom PSV 1893 Forst Lausitz, der sich nach 25,6 Kilometer im Spurt durchsetzte. 16-mal hatte er dafür das Stahnsdorfer Gewerbegebiet umkreist. „Der Kurs ist schnell, auch wenn es recht windig war“, resümierte er nach dem Rennen. Seit fünf Jahren fährt der 16-jährige Sportschüler Radrennen, sein Ziel: „Ich will Profi werden.“

Daran denkt Peter von Maydell nicht, wenn er seinen 14-jährigen Sohn dreimal in der Woche zum Training und am Wochenende bei Rennen begleitet. „Ich würde mich freuen, wenn er Spaß am Radsport entwickelt“, sagt von Maydell, der als Trainer bei RC Kleinmachnow tätig ist und dort ein Dutzend Nachwuchsfahrer zwischen 13 und 16 Jahren betreut. Für seine Athleten sei es das Ziel, im großen Feld anzukommen oder sich durch gute Platzierungen für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren, wie es vor Kurzem zwei seiner Schützlinge geschafft haben.

Ohnehin sei es schwierig, Talente zu finden. „Radsport ist etwas für teamfähige Individualisten“, sagt von Maydell. Gemeinsame Trainingsfahrten seien wichtig, aber man müsse sich auch allein bei Wind und Wetter quälen können. „Das ist hart und das können und wollen nicht viele“, so sein Eindruck. Den teilt auch Dieter Dietze, langjähriger Übungsleiter aus Berlin. „Es ist schwierig, Kinder und vor allem deren Eltern für den Radsport zu begeistern“, sagt er. „Viele Eltern halten Rennradfahren für zu gefährlich und sorgen sich, dass etwas passiert“, meint Dietze. Zudem bedauert er, dass es immer weniger Nachwuchs-Straßenrennen gebe „Der Aufwand für Verkehrssperrungen ist offenbar zu groß“, vermutet er. Daher sei er dankbar für das Engagement der Veranstalter in Stahnsdorf.

Großes Publikumsinteresse fand die aufwendig organisierte Veranstaltung allerdings nicht, was Trainer von Maydell bedauert. „Es ist schade, dass nicht viele sehen wollen, mit wie viel Energie und Eifer die Kinder und Jugendlichen dabei sind.“ Das abendliche Eliterennen, bei dem sich die Fahrer aus Tschechien, Belgien und Deutschland einen Länderdreikampf lieferten und das der Tscheche Tomas Okrouhlicky gewann, fand indes die Aufmerksamkeit zahlreicher Fußballfans, die zum Public Viewing ins Rad-Lager kamen.

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