Neues Denkmalgebäude: Ein bisschen Japan im Sperrgebiet
Das Landhaus Cramer ist neu auf Potsdams Denkmalliste. Die Einrichtung ist fast durchweg original erhalten. In seinem Innenraum birgt das Haus ein paar Geheimnisse.
Stand:
Potsdam - Es sieht aus wie eine schadhafte Stelle, das kleine freigeschälte Rechteck im Fensterrahmen. Aber die Wunde in der Farbhaut ist Absicht, ein sogenannter Treppenschnitt. Wie bei einer Biopsie war man hier auf der Suche, in diesem Fall nach den verschiedenen Farbschichten, die das Holz einst hatte. Irgendein dunkles Grün könnte die erste gewesen sein, sagt Restauratorin Verena Simons. Die Erste an dem originalen Holzfenster, fast 100 Jahre alt wie all die anderen und gut erhalten. Auch sämtliche Türen sind noch original. „Das Haus ist ein großer Glücksfall“, sagt Sabine Ambrosius von der Unteren Denkmalschutzbehörde.
Dieser Glücksfall mit noch einigen Geheimnissen kann am Tag des offenen Denkmals am 10. September besichtigt werden. Das Landhaus Cramer, Tschaikowskiweg 1, ist ein Neuzugang auf der Potsdamer Denkmalliste. Erst in diesem Jahr wurde es als Baudenkmal deklariert: ein typisches Haus der beginnenden Moderne des 20. Jahrhunderts. Schönstes Detail: Eine mit Wein bewachsene Pergola führt den Besucher wie durch einen Tunnel zum Hauseingang.
Größtes Geheimnis: eine kuriose Jalousie im Inneren des Hauses
Der Hinweis ans Denkmalamt kam von dem Makler, der es betreute. Über solche Fälle freut man sich bei der Denkmalbehörde. Ruth Gramann und Martin Milner, die im Begriff waren, das Haus zu kaufen, ließen sich vom neuen Schutzstatus nicht abschrecken. Gramann und ihr Mann finden es aufregend, dass sie mit dem Haus ein Stück Stadtgeschichte erwarben. Jetzt muss das Puzzle nur noch zusammengesetzt werden. Vieles ist noch unklar, was die einstigen Bewohner und die Nutzung des Gebäudes betrifft.
Größtes Geheimnis ist eine kuriose Jalousie im Inneren des Hauses, im Durchgang zwischen Wohnzimmer und Esszimmer. Der Rollladen muss schon von Anfang an eingebaut gewesen sein, der Architekt Carl Cramer, der das Haus 1918/19 bauen ließ, musste eine besondere Nutzung der Räume im Kopf gehabt haben, vermutet man im Denkmalamt. „Es gibt die Legende, dass ein Teil des Erdgeschosses als Verkaufsraum für japanische Handelswaren genutzt wurde und deshalb abgetrennt werden konnte“, sagt Ambrosius. Tatsächlich ist das eine mündliche Überlieferung aus der Nachbarschaft, aber es scheint etwas dran zu sein. Die punktuellen Proben legen nahe, dass das heutige Wohnzimmer der Familie früher recht bunt war. Dunkelgrün und Dunkelrot haben sie gefunden, schwarzen Lack, teilweise abgesetzt mit Gold. „Das erinnert an japanische Lackmalerei“, sagt die Restauratorin, „ extrem farbintensiv und kraftvoll mit einem expressionistischen Einfluss.“
Innengestaltung fast durchweg original erhalten
Gramann findet das toll, sie hat eine Zeit lang in Japan gelebt, das Fernöstliche gefällt ihr. Das Familienwohnzimmer muss aber nicht zwingend die originalen Farben zurückbekommen, sagt Ambrosius, schließlich soll es für heutiges Wohnen geeignet sein. „Aber ich finde es gut, wenn man das zumindest mal ausprobiert.“ Die neuen Besitzer wollen das tun und dabei historische Leimfarben benutzen, aus Zellulose, Kreide und Pigmenten, preiswert, biologisch und atmungsaktiv.
Das Haus war eines der ersten im Musikerviertel, das damals Kolonie Bergstücken hieß. Bernhard Beyer, Politiker aus Wannsee, trieb die bauliche Entwicklung von Steinstücken und Bergstücken voran, ließ Straßen anlegen und einen Zugang vom Bahnhof Griebnitzsee. Er beauftragte auch den Hausbau, aber wer zuerst dort wohnte, ist unbekannt. 1929 wurde es in der Zeitung „Sport im Bild“ für 54 000 Mark angeboten. Zwei Fotos zeigen das Haus, das heute fast noch genauso aussieht. 1936 schließlich erwarb ein Oberst Carl von Klitzing das Haus. In der DDR wurde es städtisches Eigentum. Eine Zeit lang wohnte hier der Defa-Kameramann Otto Merz, das haben die Nachbarn Ruth Gramann erzählt. Auch dass es sich hier nach dem Mauerbau einsam wohnte, weil jeder Besucher einen Passierschein brauchte.
Die letzten langjährigen Bewohner hielten das Haus im Dornröschenschlaf. Die Innengestaltung ist fast durchweg original erhalten, vom Waffenschrank des Oberst bis zur gerade wiederentdeckten Deckenmalerei im Obergeschoss. Die soll unbedingt restauriert werden, sagt Ambrosius, die Stadt werde das vermutlich finanziell unterstützen.
Geöffnet am 10. September von 14 bis 18 Uhr, die Band des Hausherrn gibt zeitgleich ein Wohnzimmerkonzert.
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