
© A. Klaer
Landeshauptstadt: Ein „Desaster“ für die nächsten 50 Jahre
Baubeigeordneter rechnet in einer privaten E-Mail zur Bibliothekssanierung mit Stadtspitze und Politik ab
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Wirbel um Potsdams Baubeigeordneten Matthias Klipp: Eine private E-Mail des Bündnisgrünen an Parteifreunde, in der er die Vorgänge um die Sanierung der Stadt- und Landesbibliothek scharf kritisiert, hat bei Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) für Ärger gesorgt. Der Schriftverkehr war öffentlich geworden, Klipp entschuldigte sich gestern dafür und nannte dies „bedauerlich“. Jakobs sagte, er rate dem Beigeordneten, künftig „lieber Tagebuch zu schreiben“. Er hatte Klipp nach PNN-Informationen bereits vor einigen Wochen einen „Maulkorb“ verordnet, nachdem der Beigeordnete sich öffentlich gegen einen Erhalt der Bibliothek ausgesprochen hatte.
In der privaten E-Mail geht der seit September 2009 amtierende Klipp detailliert auf das Verfahren zur Sanierung der Stadt- und Landesbibliothek am Kanal ein. Dieses sei „ein Schlag ins Gesicht all derer, denen die Bau- und Planungskultur der Stadt Potsdam und wirkliche Bürgerbeteiligung am Herzen liegen“, schreibt Klipp. Wenn der vom Kommunalen Immobilienservice beauftragte Architekt „nach vier Jahren Planungsvorlauf in einer Veranstaltung, die ,Potsdamer Mitte im Dialog’ heißt, eine einzige Fassadenlösung präsentiert, und auch dies nicht freiwillig, sondern aufgrund von öffentlichem Druck, aber verbunden mit der Ansage, darüber könne aus Zeit- und Kostengründen nicht mehr diskutiert werden“, müsse die Veranstaltung zunächst umbenannt werden in „Der Kommunale Immobilienservice gibt ultimativ bekannt“, so Klipp sarkastisch. Auch sollte die Debatte „unter einem DDR-Emblem stattfinden, denn die Praxis, den Verlauf einer öffentlichen Veranstaltung durch bestellte Kritiker zu manipulieren und so missliebige Fachleute zu diskreditieren“ kenne er nur aus der Zeit vor 1989, schreibt Klipp.
Gleichzeitig stellt er die Frage, warum es für die Stadt- und Landesbibliothek keinen Architektenwettbewerb und nicht einmal wie beim „Haus des Reisens“ an der Yorckstraße einen Fassadenworkshop gegeben habe. Die Potsdamer Stadtverordneten hätten für die künftigen privaten Bauherren an der Alten Fahrt einen „offenen zweistufigen Architektenwettbewerb“ beschlossen, bei der Bibliothek aber würden sie sich mit einem Fassadenentwurf zufriedengeben. Und auch die Architektenkammer schaue weg. Klipp wirft die Frage auf, welche Vorbildwirkung das Verfahren um die Stadt- und Landesbibliothek, bei dem „der Kommunale Immobilienservice völlig frei schalten und walten kann“, auf künftige private Bauherren in der Mitte haben werde, von denen „erwartet wird, dass sie Leitbauten rekonstruieren und sich an Gestaltungsvorgaben halten“.
Der Beigeordnete äußert sich seinen Parteifreunden gegenüber auch skeptisch zur grundsätzlichen Entscheidung zum Erhalt des DDR-Bibliotheksbaus. Dabei habe es sich „um einen faulen Kompromiss mit der Linken gehandelt“, deren Stimmen „man seinerzeit noch brauchte für den B-Plan zum Wiederaufbau des Stadtschlosses“. Auch sei der heutige Architekt Reiner Becker „in einem zweifelhaften Verfahren“ ausgewählt worden. Dabei sei Becker „quasi Generalbeauftragter der Stadt Potsdam für die historische Mitte“, da er auch das Potsdam-Museum am Alten Markt plane. Daran, den Verbinder zwischen Altem Rathaus und Knobelsdorff-Haus „zu schleifen“ und mit einem „gesichtslosen Neubau“ zu ersetzen, habe er, Klipp, den Architekten „in letzter Minute“ mit der „Androhung einer denkmalrechtlichen Versagung“ gehindert.
Nach Meinung des Beigeordneten hätte es vor dem Beschluss zur Bibliothekssanierung einen „echten“ Vergleich zwischen der Sanierung und einem „kompakten, energetisch optimierten und auf die wirklich benötigten Flächen reduzierten Neubau“ geben müssen. Die vorliegende Vergleichsrechnung aber sei „so peinlich, dass man sich für den Verfasser nur schämen kann“. Sie folge der politischen Vorgabe, wonach die Bibliothek saniert werden müsse, „koste es was es wolle“. Die Kosten der geplanten Sanierung seien schon jetzt „mehrfach erhöht“ worden. Man dürfe „gespannt sein, wo die Kosten am Ende landen“. Das „Schlimmste“ seien die zu erwartenden Energie- und Betriebskosten. Das „großzügige“ Atrium im Innenhof, das von einem Glasdach überspannt werden solle, werde „im Winter großzügige Heizkosten verursachen, und im Sommer großzügige Klimaprobleme“, schreibt Klipp.
Als Begründung für das „Desaster“ um die Bibliothek macht der Beigeordnete Klipp einen Mangel der Stadt(verwaltung) an „Personen und Strukturen, die eine klare Bauherrenverantwortung wahrnehmen können und wollen“ aus. Es sei „ein Vorgang, aus dem man nur lernen kann, wie es beim nächsten Mal nicht laufen sollte“. Das Problem sei jetzt nur, dass die Bibliothek „nach der Sanierung sicher 50 Jahre stehen wird“.Sabine Schicketanz(mit gb/ pee)
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