
© Andreas Klaer
Von Peer Straube und Juliane Wedemeyer: Ein Drittel mehr Firmen seit 2002
Potsdams Mittelstand boomt, obwohl im Land weniger investiert wird / KfW wirbt für Konjunkturpaket
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Dass Potsdam von der weltweiten Wirtschaftskrise bislang verschont blieb, ist nicht neu. Zwar bearbeitet das Amtsgericht nach eigenen Angaben gerade rund 95 Insolvenzverfahren Potsdamer Privatpersonen und Betriebe. Aber im Vergleich zu den Vorjahren sei diese Zahl nicht besonders hoch. Und zur Untermauerung der These legte der Chefwirtschaftsförderer der Stadt, Stefan Frerichs, dem Hauptausschuss am Mittwochabend eindrucksvolle Zahlen vor: Seit 2002 hat sich laut dem aktuellen Bericht zur Wirtschaftsförderung die Zahl der Gewerbe um ein sattes Drittel erhöht: von 8842 auf 11 880 im letzten Jahr. Der Mittelstand boomt.
„Die ostdeutschen Länder sind wegen kleinteiligerer Strukturen generell weniger von der Krise betroffen“, sagte Frerichs. So ist die Gewerbesteuereinnahme mit geschätzten 38 Millionen Euro für 2009 die zweitwichtigste Einnahmequelle nach den Schlüsselzuweisungen, jenen Geldern also, die Bund und Länder als Pro-Kopf-Pauschale an die Kommunen durchreichen. Seit Jahren schon werden der Stadt in diversen Studien weiterhin beste Entwicklungschancen eingeräumt.
Gestern zog die Landeshauptstadt sogar Unternehmer aus ganz Brandenburg an. Der Geschäftsführer eines Pharma-Unternehmens ist extra aus Schönefeld nach Potsdam gereist, ans Brandenburger Tor. Denn dort stand gestern der Bus der Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz KfW. Auch die KfW möchte einen Teil des Konjunkturpaketes verteilen. Genauer: Ein Kreditvolumen von 40 Milliarden Euro will sie bundesweit an die Unternehmen bringen. Dafür übernimmt sie die Haftung, teilweise bis zu 90 Prozent. Auf ihrer „Konjunktur-Tour“ durch ganz Deutschland will sie dafür werben. Am 27. Mai ist sie in Berlin gestartet, am 14. Juli wird sie in Frankfurt am Main enden. Rund 850 000 Euro kostet die Werbeaktion mit zwei Bussen, erklärte Holger Schwabe, der bei der KfW für die Public Relations zuständig ist. Ein Anreiz zum Investieren soll es sein. Und der scheint in Brandenburg nötig. Die Kreditanfragen bei der ILB, der Investitionsbank des Landes Brandenburg, seien so sehr zurückgegangen, dass sie schon innerhalb von vier Wochen bearbeitet seien, sagte André Barna von der ILB, die die KfW-Tour in Potsdam unterstützt. Vor der Wirtschaftskrise hätten seine Mitarbeiter bis zu sechs Wochen dafür benötigt.
Der Pharmafirmen-Chef ist hier, weil sein Unternehmen wächst. Es will Zulassungen für weitere Medikamente kaufen. Doch dafür fehlen ihm etwa zwei Millionen Euro. Aber bis einer der vier Kredit-Berater sich um ihn kümmern kann, muss er warten.
Teilweise zwölf Menschen gleichzeitig versammeln sich am Banken-Stand. Eine Frau aus Potsdam will ein Mehrfamilienhaus sanieren – fremdfinanziert, ein Jungunternehmer irgendwo aus Brandenburg braucht Geld für seine Firma. Die Berater kommen nicht mehr hinterher. Mehr als 100 Interessenten haben sie um 18 Uhr nach acht Stunden beraten. Die KfW hafte auch für Betriebsmittel-Kredite, erfährt eine Unternehmerin, also auch für die laufenden Kosten. Die sind besonders in der Landeshauptstadt hoch: Für kleinere Betriebe seien die Mieten, vor allem in der City, „einfach zu teuer“, so Frerichs. „Trotz intensivster Bemühungen“ habe man die lange geplanten Handwerkerhöfe nicht in die Förderung bekommen.
Der Mangel an preiswerten Gewerbeflächen weckt auch Begehrlichkeiten am seit Jahren brachliegenden Sago-Gelände an der Michendorfer Chaussee. Stadt und Land wollen das 30 Hektar große Areal für einen indsutriellen Großinvestor vorhalten. Da ist der zwar immer noch nicht, „aber manchmal fallen die wirklich vom Himmel“, sagte Frerichs. Die sich häufenden Anfragen des Mittelstandes müsse man daher ablehnen. Generell warb der Wirtschaftsförderer bei den Stadtverordneten für ein „bisschen mehr Sensibilität“ gegenüber interessierten Investoren. „Wir brauchen sie.“
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