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Willi Frohwein 2004 vor seinem Wohnhaus in Potsdam Babelsberg. Heute wäre er 100 Jahre alt geworden.

© Andreas Klaer

Ein Erzähler mit Herz: Zum 100. Geburtstag von Willi Frohwein

Der Potsdamer überlebte Auschwitz und widmete sein Leben dem Erinnern. Ihm zu Ehren findet heute in Babelsberg eine Feier statt.

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Joachim Pilarski erinnert sich: „Wenn man mit dem Herzen versteht, kommt der Verstand schon hinterher. Das hat Willi immer gesagt“, versichert er. „Also, so ähnlich zumindest. Willi hat das schöner formuliert“, sagt Pilarski, der mit dem engagierten Potsdamer Zeitzeugen befreundet war. Frohwein, der 2009 verstorben ist, wäre am heutigen Montag (27. März) 100 Jahre alt geworden. Ihm zu Ehren findet heute auf dem nach ihm benannten Platz in Babelsberg eine Geburtstagsfeier statt.

Ab 16 Uhr laden verschiedene Organisationen und Weggefährten von Frohwein ein, darunter der Verein der Verfolgten des NS-Regimes/Bund der Antifaschist:innen (VVN-BdA) Potsdam und die Omas gegen Rechts. Im Heidehaus werden Filmausschnitte und Zeitzeugenberichte gezeigt, Schülerinnen und Schüler des Bertha-von-Suttner Gymnasiums berichten über Frohweins Leben. Außerdem wird es um 17.30 Uhr eine Führung zur künstlerischen Gestaltung des Platzes geben.

Willi Frohwein wurde am 27. März 1923 in Berlin-Spandau geboren. Sein Vater war Jude, konvertierte aber zum Christentum, um Frohweins katholische Mutter heiraten zu können. Vor den Nazis schützte ihn das nicht: Ab 1935, als die „Nürnberger Rassegesetze“ erlassen worden sind, galt Frohwein als „Halbjude“. 1942 wurde er zur Arbeit in einer Waffenfabrik zwangsverpflichtet. Er versuchte zu fliehen, doch das misslang und er landete im Konzentrationslager Auschwitz.

Geschichtslehrerin Sabine Abraham hat Frohwein gern in ihren Unterricht eingeladen. „Er hat mitreißend erzählt und trotz des schwierigen Themas immer mit einer Prise Humor“, sagt sie. Bei einer Gelegenheit hatte sie ihn zum Beispiel gebeten, vor drei achten Klassen in der Aula des Bertha-Suttner-Gymnasiums zu sprechen. „Alle haben gebannt zugehört“, berichtet die Lehrerin beeindruckt.

Zeitzeuge mit gutem Draht zu Jugendlichen

Der Filmemacher Denis Newiak hat 2006 einen Film gemacht über Willi Frohwein und Otto Wiesner, der ebenfalls KZ-Überlebender war. Die Dokumentation „Gegen das Vergessen“ ist auf YouTube zu sehen. Sie zeigt, wie Frohwein mit Jugendlichen über seine Erlebnisse spricht, in breitem Berliner Dialekt und trotz der Ernsthaftigkeit des Themas humorvoll, bisweilen auch etwas frech. Einen Eindruck von seiner Erzählweise, die so viele beeindruckt hat, vermittelt auch das Buch „Von Spandau nach Auschwitz“, herausgegeben von der Geschichtswerkstatt Spandau. Frohweins mündliche Erzählweise wurde übernommen, was die Lektüre sehr kurzweilig macht.

Der Gedenkort Willi-Frohwein-Platz in Babelsberg.

© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN

Über diese und andere Dokumente hat sich die Berliner Künstlerin Susanne Ahner den Menschen Willi Frohwein erschlossen. Mit der Landschaftsarchitektin Brigitte Gehrke hat sie den Willi-Frohwein-Platz gestaltet. „Ich habe ihn als jemanden wahrgenommen, der ganz genau auf seine Zuhörer eingeht und immer die Augenhöhe wahrt“, sagt sie. Gerade deshalb, glaubt Ahner, habe er Jugendliche so gut erreichen können.

Toleranz ist letztendlich nicht genug – aber ein hoffnungsvoller Anfang.

Willi Frohwein (1923 bis 2009), KZ-Überlebender und Babelsberger

„Je weniger Zeitzeugen noch leben, desto mehr müssen wir neue Formen des Gedenkens erschließen“, meint die Künstlerin. Bei der Gestaltung des Willi-Frohwein-Platzes war ihr wichtig, dass Gedenken in den Alltag zu integrieren. Die Stühle dort habe sie absichtlich von beiden Seiten mit Zitaten beschrieben. „Der Betrachter erarbeitet sich so selbst einen Zugang zum Gedenken, und zwar durch den Wechsel der Perspektive“, erklärt sie.

Bis 1966 hat Frohwein kaum von seinen Erfahrungen erzählt. Ein Erweckungsmoment sei der Prozess gegen den KZ-Arzt Horst Fischer gewesen, berichtet Joachim Pilarski. „Willi sagte, er habe erst dann die Tragweite von Auschwitz verstanden; dass es eine systematische und fabrikmäßige Vernichtung nach Plan war“, sagt er. Frohwein war in dem Prozess Hauptbelastungszeuge. Zeuge sollte er bleiben: Ab dann widmete er sein Leben dem Wachhalten der Erinnerung.

2005 haben sich Willi Frohwein und Otto Wiesner in das Goldene Buch der Stadt Potsdam eingetragen. In „Gegen das Vergessen“ erzählt Frohwein, dass er eigentlich keine Lust auf diese Ehre hatte. „Da passt du doch gar nicht rein“, dachte er, der mit den hohen Herren der Stadtpolitik fremdelte. Doch er entschied anders: „Wir werden wohl die letzten sein, die das noch machen können“, so Frohwein in der Dokumentation. Etwas Widerspenstigkeit erlaubte sich aber doch und so schrieb er ins Goldene Buch der Landeshauptstadt: „Toleranz ist letztendlich nicht genug – aber ein hoffnungsvoller Anfang.“

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