
© M. Wallney
Landeshauptstadt: Ein Fußballfest
Wie die Potsdamer den Titel gefeiert haben – und wieso die Landeshauptstadt heute bei der Rückreise von Jogi Löws Elf eine tragende Rolle spielt
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In der 113. Minute war auch in Potsdam kein Halten mehr: Feuerwerk explodierte über der Stadt, als wäre Silvester. Viele Potsdamer feierten den Weltmeister-Pokal, den die deutsche Elf wenig später in Rio de Janeiro in den Händen halten konnte, noch bis in den Morgen – mit Böllern, Hupen, Fahnen, Gesängen und in Autokorsos, an dem sich zum Beispiel in Fahrland auch schon mal ein Trecker beteiligte.
Die Polizei zog am Montag ein positives Fazit der Weltmeister-Nacht: „Klar haben die Potsdamer ordentlich gefeiert, es sind Böller geflogen, es gab einen Autokorso – aber keine Schlägereien, keine Unfälle, keine Ausschreitungen“, sagte Polizeisprecher Jörg Schmidt den PNN: „Unterm Strich ist es für dieses Großereignis sehr friedlich abgelaufen.“ Auch die Feuerwehr verzeichnete keine außergewöhnlichen Notfälle, hieß es von der Stadt.
Allein zum Luisenplatz waren am Abend Tausende Potsdamer geströmt, wie der Veranstalter Markus Wallney den PNN sagte: „Die Leute standen teilweise auf der Straße, es war wirklich unglaublich.“ Der Platz am Brandenburger Tor sei für eine solche Veranstaltung, bei der man bewusst auf eine Einzäunung und strenge Kontrollen verzichtet hatte, ideal, so der Münchener, der seit fünf Jahren bundesweit mit vergleichbaren Veranstaltungen aktiv ist. Zur Frauen-WM vor drei Jahren gab es die Potsdam-Premiere. Bei der aktuellen WM waren auf dem Luisenplatz die Finalspiele der letzten Turnierwoche zu sehen – je nach Wetter seien zwischen 200 und 700 Leute gekommen. Das Finale am Sonntag sei auch besucherzahlenmäßig der Höhepunkt gewesen, sagte Wallney. Die kostenlose Veranstaltung trage sich hauptsächlich über Werbepartner. „Nächstes Jahr zur Frauen-WM kommen wir wieder“, kündigte Wallney an.
Das freut auch Wolfgang Cornelius von der Händlervereinigung AG Innenstadt. Das Public Viewing am Luisenplatz sei sehr belebend für die Innenstadt gewesen, sagte er den PNN. In erster Linie habe die Gastronomie davon profitiert. Cornelius hofft, dass nun auch kleine Läden mehr ins Bewusstsein gerückt sind: „Mehr Publikum ist immer gut.“ Auch sonst zeigte sich Cornelius zufrieden mit der WM: „Das war rundum eine schöne Sache.“ Durch das Turnier sei mehr Nachfrage nach Fanartikeln entstanden.
Zufrieden ist man auch beim Lindenpark, wo die Spiele auf einem riesigen LED-Bildschirm übertragen wurden. Insgesamt 15 200 Gäste zählte man seit WM-Start, allein am Sonntagabend waren es knapp 2000. „Das schöne Wetter hat gefehlt“, bilanziert Lindenpark-Projektkoordinator Sebastian Michalske. Das WM-Spektakel, für das der Lindenpark neben der teuren Technik auch auf Extra-Sicherheitspersonal und zusätzliche Servicekräfte setzte, habe sich „wahrscheinlich gerade so gerechnet“ – auch Dank der Sponsoren, wie Michalske betont.
Auch im Waschhaus ist man zufrieden mit den WM-Wochen. Bis zu 600 Potsdamer verfolgten die Spiele dort – anfangs noch auf Fernsehbildschirmen drinnen und draußen, später dann auch auf Leinwänden in immer mehr Räumen des Klubs. „Es hatte etwas Improvisiertes – aber das war gerade das Charmante“, sagt Patrick Dengl vom Waschhaus. Ganz ähnlich klingt es bei André Lemke, dem Betreiber des Inselcafés auf der Freundschaftsinsel, das drei Deutschland-Spiele gezeigt hatte: „Die Stimmung steigerte sich von Spiel zu Spiel und war dann am Sonntag natürlich auf dem Höhepunkt.“
Zufrieden ist auch der Fußballverein SV Babelsberg 03, der die WM im Karl-Liebknecht-Stadion übertrug. 900 Potsdamer hatten dort am Sonntag gefeiert, sagte Vereinssprecher Marcel Moldenhauer: „Die Stimmung war grandios.“
Beim Verein rechne man nach dem Weltmeistertitel nun auch mit mehr Nachfragen von fußballbegeisterten Kids: „Das wird seinen Effekt haben.“ Für ein Probetraining im Nachwuchsbereich könne man sich per Mail anmelden – es gehe beim SVB um leistungsorientiertes Training, betont der Sprecher.
Für sechs Familien wurde die Fußballnacht zweifach spannend: Sechs Weltmeisterbabys sind in der Landeshauptstadt zur Welt gekommen. „Während des Spiels wurden zwei Jungs geboren“, sagte die Sprecherin des kommunalen Ernst-von-Bergmann-Klinikums, Damaris Hunsmann, den PNN. Im katholischen St.-Josefs-Krankenhaus haben in der Weltmeisternacht sogar vier Babys gesund das Licht der Welt erblickt, wie Hebamme Maria-Claudia Lattanzio sagte. Für die werdenden Eltern lief auf der Geburtshilfe-Station der WM-Fernseher – was besonders die Männer zu schätzen wussten. „Aber auch bei den Frauen ist die Toleranz da“, so die Hebamme: „Man merkt schon, dass diese WM in Deutschland einen großen Stellenwert hat – da sind wir fast schon brasilianisch.“
Am heutigen Dienstag wollen sich die Helden von Rio in Berlin feiern lassen. Um 9 Uhr landen sie in Tegel und fahren dann zur Fanmeile ans Brandenburger Tor – die ARD überträgt live. Dann wird wohl auch Potsdam in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit geraten, oder zumindest der Name der Landeshauptstadt. Denn der Deutsche Fußballbund hat eine Sondermaschine gechartert, und zwar die auf den Namen „Potsdam“ getaufte Boeing 747-8. „Mit unseren 23 Crewmitgliedern werden wir alles tun, um dem Team die Reise zum großen Wiedersehen in Deutschland so angenehm und kurzweilig wie möglich zu gestalten“, hieß es vom Lufthansa-Flugkapitän Uwe Strohdeicher vorab. Erst im November 2013 hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Patenschaftsvertrag über das Flugzeug unterzeichnet. mit dpa
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