Von Peer Straube: Ein geringgeschätzter Schatz
Detlef Schöning wirft der Stadt vor, die wertvolle Bauplansammlung seines Großvaters nicht zu würdigen
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Alles schien perfekt. Der Termin stand fest, der Ort ebenfalls. Am 22. September 2006 sollte das Schlosstheater im Neuen Palais den festlichen Rahmen bieten. 15 Jahre hatte Detlef Schöning auf diesen Tag hingearbeitet. Dann platzte der Traum von der Gründung einer Stiftung für das Erbe seines Großvaters. Auf unschöne Weise, wie Schöning findet. Und die Schuld gibt er der Stadt.
Aber der Reihe nach. Schönings Großvater, der Potsdamer Baumeister Carl Schöning, hatte einen echten Schatz hinterlassen. Kein Gold, nein, aber unzählige, nicht minder wertvolle Papiere: historische Bauzeichnungen und -pläne, dazu Bauteile von Säulen, Skulpturen und Reliefs – insgesamt rund 20 000 Stück, zusammengetragen über fast zwei Jahrhunderte. Als Erbe einer 1775 gegründeten Baufirma hatte Carl Schöning (1875-1959) sich in Potsdam eine bemerkenswerte Reputation erworben. Als königlicher Hof-Maurermeister gab es kaum ein Gebäude von Bedeutung, an dem er nicht tätig war. Schöning sanierte am Stadtschloss, er überholte die Terrassen von Schloss Sanssouci, das Schloss selbst, er baute das Logenhaus „Teutonia zur Weisheit“, schuf Gebäude für Orenstein & Koppel (später das Karl-Marx-Werk), er arbeitete nach dem Krieg am Wiederaufbau der schwer beschädigten Nikolaikirche mit. Während der Weimarer Republik war er Stadtverordneter und laut seinem Enkel sogar Vorsitzender des Ausschusses für öffentliches Bauen. 1959 starb er in Potsdam.
Kurz nach der Wende, 1990, entdeckte Detlef Schöning die Unterlagen in einem Schrank im Haus seines Großvaters in der Yorckstraße 3. Die Potsdamer Denkmalpflege war aus dem Häuschen. Ein Jahr später übergab Schöning die Sammlung der Stadt als Dauerleihgabe, später stiftete er sie der Stadt. Ein offizielles Annahmeschreiben dafür habe er nie bekommen, auch kein schriftliches Dankeschön, ärgert sich Schöning rückblickend. Dennoch, zunächst sah alles gut aus. Im Jahr 2000 feierte die Stadt Carl Schöning anlässlich dessen 125. Geburtstag mit einer großen Ausstellung im Alten Rathaus. 2005 erhob das Landesdenkmalamt das Planarchiv Carl Schönings zum Denkmal. Allein seine wissenschaftliche Bedeutung, heißt es in der Begründung, sei „kaum zu überschätzen“. Es handele sich um eine „einzigartige, generationenübergreifende Dokumentation eines der größten Potsdamer Baununternehmen“, jubelten die Denkmalpfleger.
Die treuhänderische Stiftung unter dem Dach der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, von der der Enkel des Baumeisters seit langem träumte, nahm Gestalt an. Kulturministerin Johanna Wanka wurde als Schirmherrin gewonnen. Eine Großspende von 30 000 Euro sicherte das Gründungskapital für die Stiftung. Die Schlösserstiftung wollte Räume und Ausstellungsflächen für den Gründungsakt zur Verfügung stellen, ein Termin wurde festgelegt – eben jener 22. September 2006. Auch das Denkmalamt der Stadt habe den Termin bestätigt, sagt Detlef Schöning.
Dann folgte die Ernüchterung. Der Termin kollidierte mit der Eröffnung des neuen Hans-Otto-Theaters in der Schiffbauergasse. Der Gründungsakt wurde abgesagt. Seitdem, so Schöning, herrscht Funkstille. Seit drei Jahren versuche er, einen neuen Termin zu vereinbaren, doch die Stadt weiche aus. Von „Überlastungen“ im Denkmalamt sei die Rede. Persönliche Schreiben an Oberbürgermeister Jann Jakobs seien nie von ihm beantwortet worden. Als „stillos“ empfinde er das, kritisiert Schöning. Am 25. Juli hat sich der Todestag Carl Schönings zum 50. Mal gejährt. Ein neuer Anlass, ein neues Schreiben an Jakobs. „Ich habe noch immer keine Antwort“, sagt Schöning. „Man muss davon ausgehen, dass die Stadt die Sammlung gar nicht haben will.“ Schöning überlegt nun, juristisch zu prüfen, der Stadt die Plansammlung wieder zu entziehen. „Vielleicht interessiert sich ja jemand anderes dafür.“
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