Landeshauptstadt: Ein Heim für Tauben
Fallen, Schlingen, Drahtspitzen? Christian Becker hat ein Alternativprogramm zur Populationskontrolle
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Tauben verfügen über einen geradezu rührenden Familiensinn. Noch aus 1000 Kilometern Entfernung finden Brieftauben zurück nach Hause, weiß Christian Becker. Die Erinnerung an den Partner und die Familie lässt sie sogar bis zu 100 Kilometer in der Stunde fliegen, erklärt der Hobby-Taubenzüchter, in dessen Taubenschlag Diamant- und Lachtauben leben. Manchmal aber bleiben die Heimreisenden auch an anderen Orten „hängen“. Und dann werden aus den kostbaren Zuchttieren, die auf Hochzeiten bisweilen für die romantische Stimmung sorgen sollen, die verhassten „Ratten der Lüfte“: Verwilderte Haus- und Brieftauben nisten in Dachböden oder auf Balkonen auch in der Potsdamer Innenstadt, erzählt Becker. Und dort sind sie nicht erwünscht. Denn ihr ätzender Kot beschädige die Fassaden, „auch an denkmalgeschützten Häusern“. Zudem drohten „Ungezieferplagen“ in den verkoteten Gebäuden.
„Fallen, Schlingen, Drahtspitzen“ – Christian Becker weiß, wie verärgerte Hausbesitzer den Tauben zu Leibe rücken. Der 59-jährige Potsdamer hat sich dagegen ein friedlicheres Programm ausgedacht: Er plant einen Stadttaubenschlag. Dort sollen verwilderte Haustauben, die Becker eigenhändig einfangen will, untergebracht und in eine „kontrollierte Zucht“ umgewandelt werden. „Das heißt, die Eier werden entfernt, damit nicht so viele Tauben geboren werden“, erklärt der Taubenliebhaber. Tauben, die anhand eines Ringes identifiziert werden könnten, wolle er wieder ihren Besitzern zukommen lassen.
Wie viele verwilderte Tauben es in Potsdam überhaupt gibt, sei schwer zu schätzen, so Becker. Allein in der Mühle in der Speicherstadt in der Leipziger Straße habe er „hunderte“ Tauben beobachtet, berichtet er. Jedes Pärchen ziehe pro Jahr zehn bis zwölf Junge groß. Becker rechnet daher mit einem „rasanten exponentiellen Wachstum der Populationsdichte in den folgenden Jahren“. Nicht zu verwechseln seien die verwilderten Haustauben mit den Wildtauben, betont er. Diese nisteten nämlich „ausschließlich auf Bäumen“, erklärt Becker, der schon als Jugendlicher zu seinem ausgefallenen Hobby kam. In der Stadtverwaltung habe er für seine Idee schon Kooperationspartner gefunden, zum Beispiel den Bereich Grünflächen, die Untere Denkmalschutzbehörde, das Umweltamt und das Gesundheitsamt. Vorbilder für die „humane Methode der Taubenabwehr“ liefen mit Erfolg zum Beispiel in Berlin, Basel und Tübingen.
Spätestens am 30. Juni 2007 soll das Stadttaubenschlag auch in Potsdam stehen, so Becker. Über einen Standort verhandelt der Sozialpädagoge momentan noch – unter anderem mit dem Kommunalen Immobilien Service (KIS). Der Taubenschlag, ein Holzhaus mit Nist- und Schlafplätzen sowie einem Gehege, soll insgesamt vier mal acht Meter groß werden, erklärt er. Bis zu 100 Tauben könnten darin unterkommen.
Sein Projekt, das im Rahmen des Programms „Lokales Kapital für soziale Zwecke“, dem so genannten Regionalbudget, gefördert wird, soll aber nicht nur den verirrten Tauben und den betroffenen Hausherren zu Gute kommen: Becker möchte damit drei Langzeitarbeitslose, die älter als 50 Jahre sind, für ein halbes Jahr per Mini-Job beschäftigen. Denn der Sozialpädagoge betreut bei der Foqus Gesellschaft für berufliche Fortbildung mbH im Auftrag der Paga (Potsdamer Agentur zur Grundsicherung Arbeitssuchender) Langzeitarbeitslose. Die Chancen für deren Einstellung in den ersten Arbeitsmarkt würden durch das Projekt erhöht. Dafür hat Becker bereits 9720 Euro Fördergeld aus dem Europäischen Sozialfonds von der Landesagentur für Struktur und Arbeit (LASA) Brandenburg erhalten.
Weitere Infos zum Regionalbudget in der Stadtverwaltung, Geschäftstelle Arbeitsmarktpolitik und Beschäftigungsförderung,Tel.: (0331) 2891524.
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