Etwas HELLA: Ein himmlisches Gekrache
Hella Dittfeld über lärmende Rosinenbomber und trapsende Katzen
Stand:
What a beautiful noise. Niel Diamond hatte damit kein Problem. Doch wer stimmt ihm heute noch bedingungslos zu? Beschallt in Warenhäusern, Fahrstühlen, sogar auf der Toilette findet man den Lärm alles andere als beautiful. Dabei gibt es natürlich Unterschiede. Mag man das Gekrache, kann es nicht laut genug sein, aber wehe, es geht einem schon an sich auf die Nerven.
Lassen wir mal die Musik außen vor und nehmen als Beispiel die Fußballeuropameisterschaften: Während die einen des Jubels nicht genug kriegen konnten, bemühten andere sogar die Gerichte, um den Jublern den Mund zubinden zu dürfen. Doch das ist erst einmal Geschichte bis zur Weltmeisterschaft 2010. Die Gerichte haben übrigens entschieden: Es darf weiter gejubelt werden, denn der Freudentaumel ist begrenzt.
Ganz anders steht es um ein gewisses himmlische Geknatter, nach dem man angeblich die Uhr stellen kann, so regelmäßig tauchen die Sightseeing-Brummer sonntags am Himmel auf und drehen über Berlin und Potsdam-Sanssouci ihre Kurven. Das erbost viele in Sanssouci-Nähe wohnende Erdenmenschen, und nun machen die Lärm und wollen eine Initiative gründen. Also, ich kriege bei Flugzeugen am Himmel immer Fernweh und denke an schöne Urlaubstage zurück. Da macht mich auch so ein Ex-Rosinenbomber nicht nervös. Aber ich bin wohl eher die Ausnahme unter den seinerzeit nicht durch die Flieger gefütterten Ossis.
Die unter der Blockade einst leidenden Westberliner sehen das mit dem Fluglärm nämlich ganz anders. Sie haben auf das Brummen der Versorgungsflieger gewartet wie das Kind auf den Weihnachtsmann und wären entsetzt gewesen, hätte es nicht mit schöner Regelmäßigkeit eingesetzt. Und aus lauter Sentimentalität wollen sie sogar den Flughafen Tempelhof erhalten, wo die Fressbomber als erstes landeten. Die Tempelhofer haben sich offenbar so an den Fluglärm gewöhnt, dass sie ihn für eine hippe Großstadtmelodie halten. Da mich im Osten keiner mit Schokolade beworfen hat, könnte ich mir Tempelhof durchaus als Wohngebiet mit urban gestaltetem Innenbereich vorstellen.
Man kann sich nämlich auch nach beiden Seiten hochschaukeln und sich selber fertig machen, wenn einem etwas gegen den Strich geht. Die Berliner CDU wollte per Volksbegehren den Tempelhoflärm zementieren. Mein Vater verfluchte dagegen in nervösen Momenten selbst unsere Hauskatze und rief ihr nach: „Du dummes Biest, trapse nicht so!“ Ich aber schaue in den Himmel und genieße mein Fernweh.
An dieser Stelle schreibt Hella Dittfeld alle zwei Wochen über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch ihr geliebtes Potsdam etwas heller wird. Man darf aber auch ganz anderer Meinung sein.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: