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Homepage: Ein historischer Schritt
Die „School of Jewish Theology“ wird am Dienstag an der Uni Potsdam offiziell eröffnet. Warum diese Schule so einzigartig ist
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Die Eröffnung der „School of Jewish Theology“ (SJT) an der Universität Potsdam ist nicht nur für die Hochschule von großer Bedeutung. Sie ist auch für ganz Deutschland ein historischer Schritt: Erstmals in der Geschichte des Landes wird die akademische Ausbildung von Rabbinerinnen und Rabbinern an einer staatlichen Universität möglich, und das gleichzeitig für liberale und konservative Rabbiner. Der Studiengang bietet eine Ausbildung, die in Deutschland und Europa seinesgleichen sucht. 68 Jahre nach der Shoah wird in Deutschland das möglich, was Abraham Geiger bereits vor 200 Jahren als Ziel formulierte: ein den anderen Konfessionen gleichgestelltes Studium der Jüdischen Theologie. Rund 50 Studierende haben an der neuen Schule bereits im Oktober das Studium begonnen, hinzu kommen rund 300 Studierende in den Jüdischen Studien.
Was macht die School of Jewish Theology einzigartig?
Die konfessionelle Beschäftigung mit dem Judentum auf akademischem Niveau wird an der Schule zum ersten Mal an einer staatlichen Hochschule möglich. Die Forderung nach einer Fakultät für Jüdische Theologie an einer deutschen Hochschule ist über 200 Jahre alt, nun wird sie im Rahmen der Einrichtung an der Philosophischen Fakultät der Uni Potsdam möglich. Auch in Europa ist Jüdische Theologie als Fach an einer staatlichen Hochschule bislang einmalig. Diese staatliche Trägerschaft gibt der Schule eine Stabilität, die sie in den Augen ihrer Initiatoren sogar weltweit uneinholbar macht. „Für das Judentum bedeutet das eine verlässliche europäische Einrichtung, an der Rabbinerinnen und Rabbiner aus der ganzen Welt studieren können“, so Rabbiner Walter Homolka, der Direktor des Abraham-Geiger-Kollegs ist, das bislang in Potsdam Rabbiner ausgebildet hat.
Wie kam es zu der Gründung?
Letztlich hat die Empfehlung des Deutschen Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2010 den Ausschlag gegeben. Demnach sollten die jüdische und die islamische Theologie an den deutschen Hochschulen mit den christlichen Theologien gleichgestellt werden. Jüdische Studien mit säkularer Ausrichtung gibt es an der Potsdamer Universität bereits seit 1994 als interdisziplinären Studiengang. Seit 2001 ist das Abraham-Geiger-Kolleg ein An-Institut der Potsdamer Uni, hier wurden liberale Rabbinerinnen und Rabbiner ausgebildet. Mit dem neuen Institut für Jüdische Theologie unter dem Dach der „School of Jewish Theology“ wird diese Ausbildung für liberale wie auch konservative Rabbiner in der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam institutionell fest verankert. Damit wird der Traum, den Abraham Geiger einst hatte, Wirklichkeit: Die Jüdische Theologie wird Teil der staatlichen Universitätsausbildung in Deutschland – auf Augenhöhe mit den anderen Konfessionen.
Inwiefern musste dafür rechtliches Neuland betreten werden?
Es waren Änderungen im Hochschulgesetz Brandenburgs notwendig, um die Berufung konfessionsgebundener Professoren möglich zu machen. Die gefundenen rechtlichen Vereinbarungen basieren auf einem in dieser Form bislang einzigartigen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der liberalen und der konservativen Strömung im Judentum. Den Konsens zwischen den verschiedenen jüdischen Glaubensrichtungen hat laut Universität der Rabbiner Homolka herbeigeführt. Es wurde eine „Ständige Studienkommission für das jüdisch-geistliche Amt“ gegründet, die regelt, was die Religionsgemeinschaft an der Hochschule gestalten kann. Dieses Modell passe gut in die staatskirchenrechtliche Landschaft Deutschlands, meint Homolka.
Welche Bedeutung hat die Schule in Deutschland und Europa?
Sie gilt sogar weltweit als die einzige Einrichtung ihrer Art, die sich in staatlicher Trägerschaft befindet. Das schaffe Stabilität und Verlässlichkeit, so Homolka. Auch sei die Ausbildung im Gegensatz zu den USA kostenlos, für die Studierenden gebe es zudem eine Reihe von Stipendien. So ergebe sich die europaweit beste Ausbildung für Rabbiner, zumal mit der gleichzeitigen konservativen und liberalen Ausrichtung ein für Europa einzigartiges Angebot bestehe. „Ein sehr spannendes Angebot, sicherlich auch für die Entwicklung der jüdischen Gemeinschaft in Europa“, schätzt Homolka. Hinzu kommt die interreligiöse Perspektive der Schule, die den Diskurs der vergleichenden Theologie ermöglichen soll.
Wer studiert an der Schule?
Der Bachelorstudiengang Jüdische Theologie sieht drei Schwerpunkte vor: Rabbinat, Kantorat und Jüdische Theologie. Das bedeutet, dass Studierende, die nicht Rabbiner oder Kantor in einer Synagoge werden wollen, sondern sich allgemein für Jüdische Theologie interessieren, hier ebenfalls studieren können. So wie man auch Evangelische oder Katholische Theologie studieren kann, ohne Priester werden zu wollen. Den Studierenden ist es selbst überlassen, welchen Weg sie gehen wollen. Jemand, der Jüdische Studien oder Religionswissenschaft wählt, kann ebenso auch Lehrveranstaltungen in der Jüdischen Theologie besuchen. Auch sollen benachbarte Studiengänge Zugang zur Jüdischen Theologie haben.
Ist die Schule an der Philosophischen Fakultät richtig angebunden?
Die fächerübergreifende Ausrichtung sei ein Grund dafür gewesen, die Ausbildung in der Philosophischen Fakultät zu verankern, erklärt der Dekan der Philosophischen Fakultät, Johann E. Hafner. Die Fakultät sei der beste Ort für die Jüdische Theologie, weil sie alle hermeneutisch (Textauslegung betreffend), sprachlich, historisch und praktologisch (religiöse Anwendungen betreffend) arbeitenden Fächer versammele. Die modernen Theologien hätten die Vielfalt der Disziplinen in sich verankert. Insofern passe die Jüdische Theologie sehr gut hier hinein. Von der Idee einer eigenen Fakultät für Jüdische Theologie, wie sie Abraham Geiger eigentlich vorschwebte, war man in Potsdam aus Kapazitätsgründen abgekommen. Eine Fakultät mit nur sechs Professuren hätte – gegenüber einer Fakultät wie der mathematisch-naturwissenschaftlichen mit über 70 Professuren – zu einer Asymmetrie in den universitären Gremien geführt, so Hafner. Daher wurde ein Institut eigener Art mit speziellen, konfessionellen Sonderrechten, die das Religionsverfassungsgesetz in Deutschland garantiert, eingerichtet.
Welche Kernbereiche gibt es?
Die Schule wird sechs Professuren erhalten, deren Lehre und Forschung der facettenreichen, mehr als 3000-jährigen Geschichte des Judentums von der Antike bis zur Gegenwart verschrieben sein wird. Die Kernbereiche des Studiums der Jüdischen Theologie sind: Religionsphilosophie und Religionsgeschichte, Hebräische Bibel und Exegese, Talmud und Rabbinische Literatur, Halacha sowie Liturgie und Religionspraxis.
Warum ist Potsdam der richtige Ort?
Die Jüdischen Studien an der Potsdamer Uni, das Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum und das Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg waren zusammen mit dem Geiger-Kolleg der Nährboden für die Jüdische Theologie. Zudem ist Potsdam auch schon länger ein Nukleus für Akademiker, die sich für Religion insgesamt interessieren. „Eben weil hier die Grenzen nicht so scharf gezogen werden“, meint Homolka. Fakultätsdekan Hafner erinnert auch daran , dass das ehemalige Preußen das verschiedene religiöse Strömungen umfassende Modell bereits vorgelebt habe: In der unierten Kirche war es nämlich möglich, Protestantische Theologie zu studieren und sich dann zu entscheiden, ob man auf das lutherische oder auf das reformierte Bekenntnis ordiniert wurde. Mittelfristig soll an der Potsdamer Uni ein Zentrum für interreligiöse Studien entstehen, in dem sich auch andere Disziplinen zusammenfinden können, die religionsbezogen arbeiten, etwa aus der Politikwissenschaft, aber auch aus der Physik, wenn jemand kosmologische Themen, beispielsweise zur Entstehung der Welt, mit vergleichendem Blick auf die Religionen untersucht.
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