Kolumne: Etwas HELLA: Ein K-Wort für Schwächlinge
Es war zu erwarten, und mir hätte wahrscheinlich etwas gefehlt, wenn es anders gekommen wäre. Ich hätte doch glatt am Durchsetzungswillen von Potsdamer Initiativen gezweifelt, die schon viel erreicht haben, meist zu spät aus der Knete kommen und manchmal ganz schön nerven.
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Es war zu erwarten, und mir hätte wahrscheinlich etwas gefehlt, wenn es anders gekommen wäre. Ich hätte doch glatt am Durchsetzungswillen von Potsdamer Initiativen gezweifelt, die schon viel erreicht haben, meist zu spät aus der Knete kommen und manchmal ganz schön nerven.
Aber in der Sonne sitzend, einen wirklich guten Kaffee vor der Nase und ein Stück Torte auf dem Löffelchen, habe ich insgeheim gehofft: Die Initiative gegen den Ausverkauf der Innenstadt und für den Erhalt dreier DDR-Bauten (Hotel, Fachhochschule und Staudenhof-Wohnhaus) wird sich jetzt auf einen Oberbürgermeister, der Abstriche an seinen Abrissplänen macht und den sozialen Wohnungsbau forcieren will, zubewegen. Ein Kompromiss ist nämlich die Lösung eines Konfliktes durch Übereinkunft und Verzicht auf jeweils einen Teil der Forderungen, auf Wünsche und Idealvorstellungen, na, eben ein Kompromiss. Wird hier ein bisschen abgezwackt, da ein bisschen nachgegeben, liegen sich manchmal sogar Kontrahenten in den Armen, die über Jahre heftig gegeneinander kämpften.
Aber Kompromisse sind natürlich nur etwas für Schwächlinge. Starke Naturen mit 15 000 Unterschriften im Rücken, die lassen sich auf so etwas nicht ein. Schließlich ist auch das Lutherjahr im Anmarsch und dem lebensbejahenden Martin haben wir hier im protestantischen Osten Deutschlands eine Menge zu verdanken. Er ist sozusagen das Initiativ-Vorbild par excellence. „Hier stehe ich“, hat er gesagt, „und kann nicht anders.“ Er hat sein Käthchen geheiratet, die Bibel übersetzt und uns einen freien Tag beschert. Den Reformationstag. Da gehen dann die meisten Potsdamer, nee, nicht in die Kirche, sondern nach Berlin einkaufen.
Dass wir in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Feiertage haben, ist übrigens auch ein Kompromiss, mit dem wir ganz gut leben können. Und bald soll es auch einen in Brandenburg bei den Ladenöffnungszeiten geben. Offene Sonntage stadtteilbezogen, hat der Landesvater angekündigt. Zwischendurch wurden allerdings die Gerichte beschäftigt – ein Kompromiss will eben auch erst einmal gelernt sein. Die Initiative zur Stadtmitte hat ihren Lernprozess noch nicht abgeschlossen. Sie will mit dem Kopf durch die Wand, beziehungsweise mit dem Unterschriftenpäckchen vor Gericht ziehen und das von den Stadtverordneten abgelehnte Bürgerbegehren erkämpfen. Da geht es dann nicht um Kompromisse, sondern um die Gesetzeslage, auslegbare Paragrafen und wer zum Schluss mehr davon auf seiner Seite hat. Und das kann dauern, denn die Gerichte sind nicht gerade unterbeschäftigt. Vielleicht dauert es so lange, bis die Fachhochschule endgültig leergezogen und zusammengefallen ist. Allerdings ist diese Hoffnung schwach, denn schön haben sie zu DDR-Zeiten nicht unbedingt gebaut, aber standfest.
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam
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