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Essen, Teilen, Arbeiten. Sophie Seidel denkt an Potsdams Studenten.

© Manfred Thomas

Treffpunkt für Studenten in Potsdam: Ein Kühlschrank für alle

Die Potsdamerin Sophie Seidel hat ein Konzept für ein „Share-Café“ entwickelt: zusammen essen, arbeiten und sich austauschen. Zielgruppe sind vor allem Studenten.

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Potsdam - In Potsdam gibt es zwei Unis. In Potsdam gibt es eine Fachhochschule – und in Potsdam gibt es das Hasso-Plattner-Institut. Aber in Potsdam gibt es kaum Plätze zum Verweilen für die rund 25 000 Studenten. Das zumindest ist das Ergebnis einer Umfrage, die Sophie Seidel für ihre Bachelorarbeit an der Academie Minerva in Groningen, Niederlanden, durchgeführt hat. Insgesamt 50 Studenten aus Potsdam hat sie in den vergangenen sechs Monaten zum studentischen Leben in Potsdam befragt. „Potsdam und Groningen sind beinahe gleich groß und trotzdem ist das Angebot für Studenten in Groningen sehr viel größer“, sagt die Potsdamerin. Basierend auf den Umfragen hat Seidel in ihrer Bachelor-Arbeit ein Konzept für das sogenannte „Teil.Zeit“-Café entwickelt.

Während Potsdam rund 164 000 Einwohner hat, leben in Groningen rund 200 000 Menschen. „Es gibt viele Treffpunkte für Studenten, Cafés und Bars“, sagt Seidel. In Potsdam dagegen scheitere es in den Bars oft schon an Kleinigkeiten wie dem Fehlen einer Steckdose oder zu kleinen Tischen. „Da Studenten durchschnittlich nur 500 Euro im Monat zur Verfügung haben, ist es außerdem zu teuer, wenn man alle halbe Stunde einen Kaffee für drei Euro kaufen muss“, erzählt Sophie Seidel.

Alternative zu bestehenden Angeboten

Das „Teil.Zeit“-Café könnte eine Alternative zu bestehenden Angeboten sein. Der neue Treffpunkt mit dem Motto Eat-Share-Work (Essen, Teilen, Arbeiten) ist nach ihrer Vorstellung ein Ort mit drei verschiedenen Bereichen: einer Küche, einem Café und mit Raum zum Lernen. Gekocht werden soll mit Lebensmitteln, die Studenten, aber auch andere Interessierte, im Café abgeben. Über ein Scan-System am Eingang und eine App soll der Wert der Lebensmittel festgestellt werden. Jeder Spender bekommt einen Coupon, für den er sich etwas im Share-Café kaufen kann. Auch wenn man nichts mitbringt, zahlt man einen fairen Preis für das Essen. „Es sollte nicht teurer sein als in der Mensa“, so Seidel.

Als fiktiven, aber durchaus symbolischen Ort suchte sich Seidel ausgerechnet das zentral liegende Gebäude der Fachhochschule am Alten Markt für ihr Projekt aus. Den Plänen zufolge soll die FH im März kommenden Jahres an ihren neuen Standort in der Pappelallee umziehen, das alte Gebäude dann abgerissen werden. „Es ist schade, dass die Studenten an den Rand der Stadt gedrängt werden“, sagt Seidel. In Potsdam liegen alle Hochschulen mittlerweile am Rande der Stadt. Das „Teil.Zeit“-Café wäre dagegen ein Anlaufpunkt im Zentrum, der die Studenten vielleicht in Potsdam halten würde, glaubt sie. Viele würden bis zur Uni und wieder zurück nach Berlin oder ins Potsdamer Umland pendeln und das Entstehen einer studentischen Szene bleibe aus, so die Potsdamerin.

Lebensmittel vor dem Wegwerfen bewahren

Das Neue an Sophie Seidels Projekt ist der soziale Aspekt, denn Food-Sharing selbst gibt es schon seit Längerem. Es begann mit der Idee, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu bewahren, indem man sie in öffentliche Kühlschränke bringt oder einen Warenkorb im Internet anbietet, der zum Beispiel von den Nachbarn abgeholt werden kann. Im Share-Café soll es aber um mehr gehen. Die abgegebenen Lebensmittel sollen gemeinsam zubereitet, gegessen und verkauft werden. Sophie Seidel geht es um „das Stärken zwischenmenschlicher Kommunikation“.

Im vorderen Teil des Cafés ist die Küche, in der Mitte ein Essbereich, hinten soll es Präsentationsräume mit Beamern und einen „Co-Studying“-Bereich geben. Sophie Seidel ließ sich von unterschiedlichen Unternehmenskonzepten wie dem von Google und Youtube inspirieren. Diese Firmen setzen auf große, offene, loftartige Räume ohne massive Trennwände. Sie sollen eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen. So ist auch das Café der 28-Jährigen aufgebaut. Die einzigen Trennelemente sollen Regale mit Plastikkisten sein, die auf Schienen beliebig verschiebbar sind. In den Kisten können Bücher abgelegt und weitergegeben werden. So soll der „Share“-Gedanke auch auf das Lernen ausgeweitet werden und nicht nur auf das gemeinsame Essen. Je weiter man nach hinten geht, desto dichter sollen die Regale aneinander stehen, die Decke niedriger werden, um die Lautstärke zu dämmen.

Konzept auf Vertrauensbasis

Das Konzept funktioniert auf Freiwilligen- und Vertrauensbasis. Gewinn solle keiner damit machen, deshalb komme das Projekt auch eher für Universitäten in Frage und nicht für große Investoren, sagt Seidel. Crowdfunding könne jedoch eine Möglichkeit sein, die Idee zu finanzieren. „In fünf Jahren wäre es bestimmt möglich, das Projekt zu realisieren“, sagt Sophie. Sie selbst möchte allerdings nicht die Unternehmerin sein, sondern nur ein Konzept vorstellen.

Ihre Zukunft sieht Sophie Seidel als Innenarchitektin in Potsdam oder Berlin. Am liebsten würde sie sich selbstständig machen. In Groningen bleiben wollte sie nicht. „Mein Herz schlägt für Potsdam.“ Mit ihrem Entwurf möchte sie Food-Sharing salonfähiger machen, denn viele finden es noch immer komisch, abgelaufene Lebensmittel zu verwenden oder sich an öffentlichen Kühlschränken zu bedienen, meint sie. Außerdem möchte sie eine Idee zur Verbesserung des Studentenlebens für Potsdam und andere vergleichbare Städte liefern. Noch ist es rein fiktiv, aber warum nicht? Die „Share-Economy“ mit Car- oder Food-Sharing haben Konjunktur.

Emilie Brummel

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