
© Till Budde für Bundesstiftung Baukultur
Baukultur-Chef Nagel im Interview: "Ein modernes Gebäude muss nicht zwangsläufig schmucklos und nüchtern sein"
Reiner Nagel, Vorstand der Stiftung Baukultur, fordert im PNN-Interview eine bessere zeitgenössische Architektur.
Stand:
Herr Nagel, die Bundesstiftung Baukultur veranstaltet zum zweiten Mal ihren Konvent in Potsdam. Ist die Stadt ein guter Ort, um sich mit Baukultur zu beschäftigen?
Das ist etwas zwiespältig. Wenn Leute erfahren, dass wir in Potsdam sitzen, ist die erste Reaktion immer: Ach, schön! Das bezieht sich dann meist auf die schönen, alten Gebäude und Parklandschaften hier. Aber Baukultur hat nicht nur etwas mit Denkmalpflege zu tun, sondern geht darüber weit hinaus. Wir beschäftigen uns ja auch mit Neubauten.
Die Gestaltung der Stadt ist in Potsdam immer für Kontroversen gut. Inwieweit kann die Stiftung sich an der Debatte beteiligen?
Die Dinge sind hier schon weit gediehen. In Teilen ist die Diskussion auch politisch und ideologisch vorgeprägt. Wir haben es bisher nicht geschafft, die Diskussion aktiv zu begleiten. Wir machen aber in regelmäßigen Abständen Baukultursalons, die für alle Potsdamer offen sind. Außerdem soll unser in jedem zweiten Jahr veranstalteter Konvent, der früher immer in einer anderen Stadt stattgefunden hat, dauerhaft in Potsdam bleiben.
Potsdam hat vor 25 Jahren die Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss beschlossen. Liegt das im Trend?
Ein richtiger Trend ist es wohl nicht. Aber es gibt einige Referenzbeispiele wie den Bau des Humboldtforums in Berlin oder den Umbau des Römers in Frankfurt am Main. In beiden Fällen sind Bestandsgebäude aus der Nachkriegszeit abgerissen worden. Die Ergebnisse sind von unterschiedlicher Qualität. Vielleicht wird der Abriss des Palasts der Republik von künftigen Generationen eher kritischer gesehen. Als die Entscheidung getroffen wurde, gab es aber eine Mehrheit für den Abriss. Hinterher ist man immer schlauer.
Woher kommt denn die Sehnsucht vieler Menschen beispielsweise nach barocken Fassaden?
Das hat vielleicht mit der zeitgenössischen Architektur der letzten Jahrzehnte zu tun. Man müsste sich mehr Mühe mit dem Antlitz von Gebäuden geben. Ein modernes Gebäude muss nicht zwangsläufig schmucklos und nüchtern sein. Ich wünsche mir mehr Bauherren mit modernen, anspruchsvollen, gegliederten und stimmigen Neubauentwürfen.
Am Mittwoch haben die Stadtverordneten beschlossen, dass der Gestaltungsrat künftig unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen soll. Ist das eine gute Entwicklung?
Wenn es hilft, ist es legitim. Manchmal wird Porzellan zerschlagen, wenn ein Projekt zu früh öffentlich diskutiert wird. Wichtig ist, dass Entwürfe diskutiert werden, nicht ob sie öffentlich diskutiert werden. Geheim bleiben sollte das aber nicht. Es wäre gut, wenn zumindest Stadtverordnete an diesen Sitzungen teilnehmen.
Das Interview führte Marco Zschieck.
ZUR PERSON: Reiner Nagel (57) ist Vorstand der Stiftung Baukultur mit Sitz in der Schiffbauergasse.
Anlässlich des Konvents der Bundesstiftung Baukultur gibt es noch bis Sonntag eine Fotoausstellung aus den vergangenen Wettbewerben des Europäischen Architekturfotografie-Preises unter dem Titel „Perspektive.Land.Stadt“ im Kunstraum Potsdam in der Schiffbauergasse 4d. Der Eintritt ist frei.
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