
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: „Ein Nazi ist einer, der einen runtermacht“ Fußballprofi Thomas Hitzlsperger besuchte Jugendclub am Schlaatz, um gegen Rechtsextreme mobil zu machen
Es sind Ferien. Es scheint, endlich einmal, die Sonne.
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Es sind Ferien. Es scheint, endlich einmal, die Sonne. Wunderbar wäre es, jetzt draußen zu sitzen. Doch die etwa 15 Jugendlichen aus dem Wohngebiet, vielen ist ein Migrationshintergrund anzusehen, folgen den Jugendklubmitarbeitern in den Klubraum. Berühmter Besuch ist da, Thomas Hitzlsperger, ehemaliger deutscher Fußball-Nationalspieler. Der hat eben noch mit den Jungs ein paar Bälle getreten. Die Mädchen saßen in Liegestühlen und schauten zu. Doch es soll heute gar nicht um Fußball gehen.
Hitzlsperger, der 30-jährige bayrische Junge, der genauso einen zuckrig-schnorrigen Singsang draufhat wie alle, die von da unten kommen und ab und zu vor einer Kamera stehen, ist prominentes Gesicht der Aktion „Störungsmelder on Tour“, eine Veranstaltungsreihe, die vom Verein „Gesicht Zeigen!“ organisiert und durchgeführt wird. Die Störungsmelder, in diesem Fall der Fußballer, wollen auf rassistische und rechtsextreme Tendenzen, „Störungen“, aufmerksam machen.
Dabei sei der Schlaatz gar kein Wohngebiet mit einer besonderen Dichte an solchen Vorkommnissen, betonen die Mitarbeiter des Jugendklub Alpha, auch Revierpolizist Thomas Kraft. Er kann sich zumindest nicht an kürzliche Vorfälle erinnern, da passiere schon eher was in der Waldstadt. Die Erfahrungen, von denen die Kinder gleich berichten werden, hätten überall passiert sein können.
Es dauert ein paar Minuten, bis man warm wird miteinander. Hitzlspergers Begleiterin Sabine redet sehr pädagogisch, dann hält sie inne: Wisst ihr eigentlich, was ein Nazi ist? Cihan, 15, aus der Türkei, antwortet: „Jemand, der einen runtermacht wegen seines Aussehens oder Akzents, verprügelt oder mit Worten wehtut.“ Die Kinder, die Jugendlichen, sagen große Worte an diesem Nachmittag, manchmal zu deutlich, zu gewichtig für ihr Alter. Es gibt aber auch Jungs und Mädchen, die sich an keine negativen Vorfälle erinnern können.
„Auf beiden Seiten gibt es Idioten“, drückt es Benjamin Riese, Klubmitarbeiter, etwas drastisch aus. Deutsche und Ausländer könnten unfein zueinander und untereinander sein. Es gebe eine Hackordnung, „wer den mit der noch dunkleren Hautfarbe runtermacht, fühlt sich selbst gleich etwas besser“. Dass der Umgang mit den eigenen Gefühlen nicht immer einfach ist, wissen die Mitarbeiter. „Die Kinder verteilen hier so einiges an schlimmen Schimpfwörtern untereinander“, sagt Sozialpädagogin Ina Beu.
In der großen Runde kommt das endlich mal zur Sprache. Hitzlsperger will die schlimmsten Wörter wissen. Auch er kennt das, beschimpft zu werden, zum Beispiel wenn ein wütender Fan einen Mitspieler als „Jude“ beschimpft. „Aber was willst du machen – das Spiel beenden lassen? Das wäre zwar konsequent, kommt aber so gut wie nie vor“, sagt er.
Eric, ein schwarzhäutiger Junge, erzählt, dass die Frauen in der Straßenbahn ihre Taschen fester greifen, wenn er einsteigt. Und lacht sich dusselig dabei. „Das ist eigentlich nicht lustig“, sagt Sabine.
Dann holt sie Fragekärtchen raus. Es wird noch mal anstrengend. Auf dem Tisch steht schon Obst für die Pause. Hitzlsperger, der zuletzt für den VfL Wolfsburg spielte, will danach Autogramme geben und noch mal mit den Jungs kicken. „Er ist der King!“, sagt einer, der schon neben ihm wartet.
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