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Gruppendynamik. Arthur Engelbert (r.) reflektiert über das Thema Hilfe.

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Homepage: Ein Parfum, das voran bringt FH-Dozent über Modelle gegenseitiger Hilfe

„Ich gebe keine Ratschläge, ich reflektiere“, sagt Arthur Engelbert über sein jüngst erschienenes Buch „Help! Gegenseitig behindern oder helfen.

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„Ich gebe keine Ratschläge, ich reflektiere“, sagt Arthur Engelbert über sein jüngst erschienenes Buch „Help! Gegenseitig behindern oder helfen. Eine politische Skizze zur Wahrnehmung heute“. Auf rund 320 Seiten beschäftigt er sich mit der Frage, wie Modelle gegenseitiger Hilfe aussehen und was sie bewirken können. Den Professor für Medientheorie und Medienpraxis im Studiengang Kulturarbeit der Fachhochschule Potsdam beschäftigen und faszinieren diese Modelle schon seit vielen Jahren. „Ich verstehe gegenseitige Hilfe als politischen Versuch des Einzelnen, Selbstbestimmung in der Gruppe frei zu leben und dadurch den Horizont von Gemeinschaften zu erweitern.“

Eine Horizonterweiterung erfuhr Engelbert vor vielen Jahren am eigenen Leibe bei einem Treffen von befreundeten Familien auf Korfu. Dort kam er mit einem Biologen über den genetischen Plan des Menschen ins Gespräch. Auf langen Strandspaziergängen diskutierten sie darüber, ob menschliches Verhalten durch ein Egoismus-Gen bestimmt werde oder nicht. „Der Naturwissenschaftler war gegenüber dieser Frage viel offener als ich“, berichtet Engelbert. Das überraschte ihn, den Vermittler zwischen Kulturen und Künsten, und gab ihm den Anstoß dazu, sich dem Thema aus der Perspektive unterschiedlichster Disziplinen zu nähern.

Unterschiedliche Sichtweisen, Austausch und eine geschärfte Wahrnehmung für andere und deren Ideen haben seiner Meinung nach eine positive Wirkung sowohl auf den Einzelnen als auch auf die Gemeinschaft. „Wir hören immer häufiger, dass Kooperationen angesagt sind“, so Engelbert. Diese sollten freiwillig sein, so seine Überzeugung. Kooperation und Anpassung seien notwendig, erforderten aber von dem Einzelnen einen kritischen Entwurf des Zusammenlebens mit anderen. Gegenseitige Hilfe sei eine anarchistische Idee, die das nicht mehr zeitgemäße Konzept des „autonomen Individuums“ ablösen oder zumindest bereichern könne.

Das englische Wort „help“ hat Engelbert ganz bewusst für seinen Buchtitel ausgewählt: „Das lässt ganz andere, viel positivere Assoziationen zu als Hilfe.“ Mit Hilfe assoziierten die meisten Menschen eine Notsituation. Help hingegen betone das aktive Unterstützen im gegenseitigen Einvernehmen. „Ich will dazu ermutigen, Modelle gegenseitiger Hilfe zu leben.“ Beispiele gebe es viele. Das reiche von Künstlerdörfern über Eltern, die selbst Kitas und Schulen gründeten, bis zur Partei „Die Piraten“ und der Occupy-Bewegung. Engelbert nennt Beispiele, um Denkanstöße zu geben und eine Diskussionsgrundlage zu haben, nicht um eine Richtung vorzugeben.

„Wir brauchen Aufgeschlossenheit gegenüber der Lebensperspektive anderer und eine radikale Offenheit gegenüber allen denkbaren Situationen“, so der Wissenschaftler. Seine Beobachtung: Ein Indivdiuum, das sich entfaltet, bringt die Gruppe voran. Differenzen finden in der Gruppe Entfaltung. Vorbilder dafür gebe es in Kunst und Kultur. Aber gerade Kreative seien oft sehr mit sich selbst beschäftigt. Help sei ein anarchistisches Konzept, das vor allem von Frauen aufgegriffen worden sei. Auch die Anfangszeit der Partei „Die Grünen“ sei voll von Visionen und Spielräumen gewesen.

Sein Buch sei ein Plädoyer dafür, viele Positionen zuzulassen, ohne sich zu blockieren, so Engelbert. Das Geben und Nehmen, das gegenseitiger Hilfe innewohne, solle über das Verrechnen hinausgehen. Dass die Zeit dafür reif sei, zeige auch der gesellschaftliche Trend, Projekte gegenüber Produkten mehr Relevanz einzuräumen. Um für sein Buch und seine Ideen zu werben, beschreitet Engelbert ebenfalls ungewöhnliche Wege: „Ich habe ein dazu passendes Parfum kreiert. Ein frischer Duft, der nicht schnell verfliegt und dem Zeitgeist entspricht – so wie das Thema des Buches.“ Maren Herbst

Arthur Engelbert: „Help! Gegenseitig behindern oder helfen. Eine politische Skizze zur Wahrnehmung heute“, Würzburg 2012, ISBN 978-3-8260-5017-6

Maren Herbst

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