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Abgefischt. Rund 90 Prozent der weltweiten Fischbestände sind weggefischt, nun muss die Hochseefischerei dringend vernünftig geregelt werden.

© dpa

Homepage: Ein Raubbau im Verborgenen

Von Potsdam gehen entscheidende Signale zum Schutz der Weltmeere aus. Am IASS-Institut kamen nun Experten aus aller Welt dafür zusammen

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Knapp 80 Prozent der Weltbevölkerung leben weniger als 250 Kilometer vom Meer entfernt, 80 Prozent der Megacitys sind Küstenstädte. Die Erde ist zu zwei Dritteln vom Wasser der Ozeane bedeckt. Dass es um die Weltmeere nicht gut steht, ist bekannt, doch wie viele Menschen vom Raubbau an den Weltmeeren betroffen sind, ist bisher kaum beziffert worden. Blickt man von oben auf die blauen Ozeanoberflächen, scheinen die Wassermassen von unberührter Schönheit. Doch die Probleme verbergen sich unter der Meeresoberfläche. Auf den Weltmeeren gibt es heute bereits 500 Todeszonen, in denen maritimes Leben praktisch nicht mehr möglich ist. „Wir haben nur einen Planeten und nur einen Ozean“, warnt der Ozeanograf Martin Visbeck vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel (Geomar). Angesichts der weltweiten Verschmutzung und Ausbeutung der Meere sei der Schutz der Ozeane dringender denn je, sagte Visbeck vergangene Woche auf einem international hochgradig besetzten Workshop zu Strategien zum Ozeanschutz des Potsdamer Nachhaltigkeits-Instituts IASS.

An erster Stelle steht für Visbek die Problematik der Überfischung. Das sei vor allem auf der hohen See, aber auch in vielen Küstenbereichen schlecht geregelt. In Europa gebe es nun erste Fortschritte. Ein großes Problem sei zudem die Verschmutzung der Küsten, zum Teil durch Überdüngung der Landwirtschaft, zum Teil durch Plastikmüll hervorgerufen, der sich mittlerweile auch in riesigen Strudeln in den Ozeanen sammelt. Dann nennt Visbeck noch das Kohlendioxid, das durch den Klimawandel verstärkt von den Meeren aufgenommen wird und zur Versauerung der Meere führt. „All diese Dinge zusammen werden das marine Ökosystem verändern und Auswirkungen auf die Nährstoffproduktion durch die Fischerei haben“, so der Ozeanograf. Keine Lappalie, schließlich stammen rund 20 Prozent der Nahrungsmittel der Weltbevölkerung aus den Meeren.

Die gute Nachricht ist, dass es Lösungen gibt. Zur Vermeidung von Plastikmüll sei eine vernünftige Müllentsorgung an Land ganz wichtig; abfischen der Plastikteilchen sei hingegen keine Option. Im Klimabereich sei ein Übereinkommen zur Kohlendioxid-Reduzierung ganz wichtig. Im Fischereibereich gehe es darum, wie die Hochseefischerei vernünftig geregelt werden kann. Visbek sieht einen erfolgsversprechenden Ansatz in der „White Space Fishery“: Hier übertragen die Küstenstaaten den Fischern den Besitz an den Fischschwärmen, um so nachhaltiges und umsichtigeres Handeln anzuregen. „Wenn man dem Fisch im Meer einen Wert zuordnet, den man handeln kann, werden sich viele Probleme lösen“, meint Visbeck. Für Europa sei eine Senkung der Subventionen der Fischerei dringend zu empfehlen: „Das würde automatisch zu einer nachhaltigen Fischerei führen“, so der Ozeanograf. Das Gütesiegel MSC für nachhaltig gefangenen Fisch hält Visbeck für einen guten Hinweis für die Verbraucher. Sinnvoll sei es auch, günstigen Fisch zu kaufen – denn davon gebe es noch am meisten. „Von teurem Fisch ohne MSC-Siegel ist abzuraten.“

Der Ozeanschutz hat ein grundsätzliches Wahrnehmungsproblem: Die Schäden der Meere sind nicht auf den ersten Blick sichtbar. Dass 90 Prozent der Fische weggefischt sind, sei mittlerweile bekannt. Doch was unter der Wasseroberfläche geschieht, sei nicht für die Menschen nicht offensichtlich. „Es geht uns um ein nachhaltiges Entwicklungsziel für Ozean und Küsten“, erklärt Visbeck. Das würde finanzielle Ressourcen für die Küstenstaaten mobilisieren, gerade für Entwicklungsländer, die so ein vernünftiges Monitoring ihrer Küstenbereiche und Rechtsrahmen aufbauen könnten. Auch könnten dann Verhandlungen zu den – meist europäischen – Firmen aufgenommen werden, die vor den Küsten fischen. Ziel sei ein vernünftiger, nachhaltiger Umgang mit den Küstenzonen und den ökonomischen Werten, die darin liegen: „Nicht nur fünf Jahre Raubbau betreiben und die gesamten Grundlagen vernichten.“

Ein wichtiger Bereich, der in Potsdam erörtert wurde, ist die Frage des Seerechts außerhalb der nationalen Zonen. Im Hochseebereich herrscht relativ viel Freiheit, das Wasser ist im Gegensatz zum Meeresboden dort nahezu frei nutzbar. „Es fehlt noch ein juristischer Rahmen, um hier Schutzzonen im internationalen Raum auszuweisen“, so Visbeck. Die Forscher hoffen nun, dass im kommenden Jahr durch die UN ein Prozess zum internationalen Seerecht in Gang kommt. Beim Meeresbergbau im Hochseebereich ist das Seerecht anders aufgestellt, der Schutz ist dort verbrieft, wirtschaftliche Aktivitäten bedürfen eines komplizierten Bewilligungsverfahrens. Vom Gewinn aus dem Meeresbergbau in internationalem Gewässer wird automatisch ein Teil an alle Staaten abgeführt. Die Frage sei nun, wie dort Umweltschutz gewährleistet werden kann. „Dies müsste transparent gestaltet werden“, sagt Visbek.

Auf dem Workshop in Potsdam standen Handlungsoptionen für die Politik auf der Agenda, zumal 2015 die Entscheidung der UN zum internationalen Seerecht ansteht. Die Vereinbarung globaler Nachhaltigkeitsziele (SDGs) müsse politisch eingeleitet werden, so die Wissenschaftler. UNEP-Direktor Achim Steiner sprach per Videobotschaft aus Nairobi von einer Roadmap zum Schutz der Ozeane, die nun gebraucht werde. Am IASS fordert man das bereits seit Längerem. Der Potsdamer Biologe Sebastian Unger hatte im Juni vor den Vereinten Nationen ein neues Abkommen zum Schutz der hohen See gefordert, das unter dem Dach des internationalen Seerechtsübereinkommens realisiert werden soll.

IASS-Gründungsdirektor Klaus Töpfer erwartet, dass 2015 für nachhaltige Zielsetzungen ein bedeutendes Jahr wird – auch für die Ozeane. Zum Schutz der Ozeane könne es nicht nur einen Masterplan von oben geben, es müssten auch die existierenden Strukturen genutzt werden, so Töpfer. Ganz dringend sei auch das Thema des Rohstoffabbaus in der Tiefsee zu regeln. Die Fehler des Rohstoffabbaus an Land müssten im Meer nun vermieden werden. „Wir können die Dinge nun richtig machen, bevor die Probleme entstehen.“ Die Anwesenheit von drei Bundesministerien – Umwelt, Wirtschaft und Auswärtiges Amt – bei dem Workshop wertete Töpfer als ein vorsichtiges Signal, dass die Bundesregierung das Thema nun ernst nehme.

Globale Nachhaltigkeitsziele und ein neues verbindliches Übereinkommen für einen großen Teil der Ozeane jenseits nationaler Hoheitsgewässer stehen 2015 weit oben auf der Agenda internationaler Nachhaltigkeitspolitik. In Potsdam wurden nun konkrete Vorschläge dazu vorgelegt und Prozesse vereinbart, um zu den Verhandlungen bei den Vereinten Nationen beizutragen. Auch wurden Vorschläge für wichtige Teile eines neuen verbindlichen Übereinkommens unter dem Dach des internationalen Seerechtsübereinkommens erarbeitet, darunter die Ausweisung und das Management von Meeresschutzgebieten auf der hohen See.

Da Verhandlungen und neue Übereinkommen meist viele Jahre in Anspruch nehmen, standen im Mittelpunkt auch Schutzmaßnahmen, die bereits heute möglich wären – vor allem durch regionale Abkommen und Institutionen. „Die klare Botschaft des Workshops hierzu: Ein neues globales Übereinkommen und regionale Maßnahmen gehören zusammen und müssen gleichzeitig entwickelt werden,“, so Sebastian Unger. Und Martin Visbeck ergänzte: „Wir brauchen Leitlinien auf der globalen Ebene, regionale Umsetzungsstrategien und in Europa den Willen, das zu tun.“

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