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Mit dem Geruchssinn auf Entdeckungstour. Der neue Sinnesgarten auf dem Gelände des Oberlinhauses ist vor allem für jene gedacht, die sich mit ihrer Nase, ihren Händen und ihrem Geschmackssinn in der Welt orientieren, wie etwa die 17 Jahre alte Mireau (rechts). Sie ist blind und autistisch veranlagt.

© Andreas Klaer

15 Jahre Oberlinstiftung Potsdam: Ein Stück Lebensfreude

Seit 15 Jahren unterstützt die Oberlinstiftung das Oberlinhaus. Ohne ihre Hilfe wären zahlreiche Angebote finanziell nicht realisierbar gewesen.

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Potsdam - Der Duft des Thymians, in dessen rosafarbenen Blütentrauben sich die Bienen tummeln, ist zuerst da: würzig, aromatisch, herb. Etwas dezenter verströmt die Melisse ihren frischen Zitrusduft. Zerreibt man nur ein Blättchen zwischen den Fingern, entfalten Salbei, Minze und Rosmarin ihr volles Aroma. An diesem Kräuterhochbeet kann der Geruchssinn auf eine wahre Entdeckungstour geschickt werden. Und das ist auch so gewollt: Der Sinnesgarten auf dem Gelände des Oberlinhauses in Babelsberg ist vor allem für jene gedacht, die sich mit ihrer Nase, ihren Händen und ihrem Geschmackssinn in der Welt orientieren.

Die Kinder und Jugendlichen, die hier gerade ihre Mittagspause verbringen, können gar nicht oder nur sehr schlecht hören und sehen. Es sind Schüler der angrenzenden Taubblindenschule, die vom Oberlinhaus betreut werden. Rund 20 Kinder und Jugendliche lernen hier, teilweise leben sie auch auf dem Gelände. Weitere 80 Kinder mit Förderbedarf sind in der Förderschule des Oberlinhauses untergebracht. Auch sie nutzen den Garten, ebenso wie die Bewohner der Wohnstätte für taubblinde Erwachsene, die derzeit um 17 Wohnplätze erweitert wird.

Kräuter riechen, mit den Füßen Sand, Rindenmulch oder Stein erspüren, kühles Nass in dem liebevoll mit Muschelkacheln verzierten Wasserbecken erkunden – der Sinnesgarten ist eine grüne Oase, „ein kleiner geschützter Campus, auf dem sich die Kinder zurückziehen können“, erklärt Pfarrer Matthias Fichtmüller, Vorstand der Oberlinstiftung. Sogar eine Schaukel für Rollstühle ist installiert und eine Biberskulptur aus splitterfreiem Robinienholz lädt zum Streicheln und Ertasten ein. In einer Ecke des Gartens, in dem oft gegrillt wird, stehen Tische und Stühle, am Spalierobst hängen bereits erste kleine Früchte. Der Garten ist ein Ort, in dem ein Stück Welt erlebbar wird – auch ohne Seh- und Hörsinn.

Der Sinnesgarten ist nur eines von zahlreichen Projekten, die es ohne Spendengelder nicht geben würde. „Über die Kranken- und Rentenversicherung wird das Grundlegende finanziert – Therapien, Personal, Medikamente –, aber alles, was darüber hinausgeht, ist nicht abgedeckt“, sagt Matthias Fichtmüller. Ohne Spendengelder gäbe es etwa die Klangliegen im Musikraum nicht, unter denen große Bassboxen installiert sind, die die Vibrationen der Musik übertragen und damit auch taubblinden Kindern ein Musikerlebnis ermöglichen. Und auch nicht das Rollstuhltrampolin auf dem Schulhof und die Technik für die Theatergruppe der Oberlinschule.

Seit 2002 fördert die Oberlinstiftung die Arbeit des Oberlinhauses, in dem jährlich mehr als 30 000 Menschen behandelt und betreut werden, um genau solche Vorhaben zu ermöglichen. In den vergangenen fünf Jahren hat die Stiftung die notwendigen 200 000 Euro für den Sinnesgarten gesammelt. Rund 2000 aktive Spender aus dem gesamten Bundesgebiet gibt es, die sich regelmäßig mit kleinen oder auch großen Summen an den unterschiedlichsten Vorhaben beteiligen. Zwei Jahre lang wurde der Garten angelegt – nun ist er nicht nur für die Schüler und Bewohner des Oberlinhauses geöffnet. „Die Tagesmütter aus dem Kiez kommen auch gerne hierher, das Gelände ist ja nicht abgeschlossen“, sagt Fichtmüller. Ein Umstand, den er ausdrücklich begrüßt. Denn das Ziel der Stiftung sei es, Verständnis für den Umgang mit Behinderungen zu schaffen – etwa über Räume, die Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam nutzen.

Ehrgeizig ist auch ein aktuelles Vorhaben der Stiftung, das es Kindern der Oberlinschule ermöglicht, drei Tage pro Woche auf einem Bauernhof zu verbringen. Seit dem vergangenen Dezember lernen die Schüler, die verschiedenste Beeinträchtigungen haben, hier den Umgang mit Tieren, übernehmen Verantwortung, werden bei allen anfallenden Arbeiten eingebunden. Auch hier ist die Unterstützung der Spender gefragt: Das Gelände, der Aufenthaltsraum und sanitäre Einrichtungen müssen barrierefrei eingerichtet, Arbeitsmaterialien und -kleidung gekauft werden. „Menschen mit psychischen Behinderungen haben oft einen anderen Zugang zu Tieren“, betont Matthias Fichtmüller. Viele der Kinder könnten sich besser öffnen und leichter lernen.

In vier Jahren wird das Oberlinhaus sein 150-jähriges Bestehen feiern. Für die Stiftung ist dies Anlass genug für weitere große Pläne: Auf dem Oberlin-Gelände wünscht sich Matthias Fichtmüller einen weiteren, großzügigeren Garten. Der Maria-Martha-Garten soll Rückzugs- und Begegnungsort sowohl für die Patienten und Bewohner der diakonischen Einrichtung als auch für die Menschen aus dem Kiez sein. „Ich denke, jeder sollte das Recht haben, in einer schönen Wohnung in einem schönen Umfeld zu leben – egal, ob er etwas sieht oder nicht“, bringt es Fichtmüller auf den Punkt. Er weiß: Für die Stiftung wird es auch in den kommenden 15 Jahren viel zu tun geben. „Die Ideen gehen uns nicht aus“, verspricht er.

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Heike Kampe

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