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Perfekter Abschied. Erik Zabel (rechts) trat erstmals beim Berliner Sechstagerennen an und sicherte sich gemeinsam mit dem Potsdamer Robert Bartko (links) in letzter Minute den Sieg.

© dpa

Von Helen Ruwald und Henner Mallwitz: „Ein Tag wie in Trance“

Erik Zabel gewinnt mit seinem Potsdamer Partner Robert Bartko die Berliner Sixdays

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Der Lichtkegel war auf Robert Bartko gerichtet, ganz allein fuhr er nachts um zwölf im Velodrom eine halbe Ehrenrunde. Da, wo die Siegerkränze auf dem Boden lagen, stoppte er. Und wartete. Als kein anderer Fahrer neben ihm auftauchte, radelte Bartko Richtung Fahrerlager davon. Die tobenden Fans brüllten: „Es gibt nur ein’ Erik Zabel“ – Zabel selbst war nicht zu sehen, so kurz nach dem letzten Sieg im letzten Rennen seiner Karriere. Das Bild sprach für sich. Bartko war der Mann des Abends, und er war es auch nicht. Der Potsdamer hatte drei der entscheidenden fünf Wertungssprints der letzten Jagd über 60 Minuten gewonnen und sich und Zabel den Sieg gesichert. Einmal war Franco Marvulli einen Tick schneller gewesen, einmal hatte Bruno Risi sich auf den letzten Metern noch an Zabel vorbeigeschoben. 12 Punkte Vorsprung hatten die Deutschen am Ende vor den rundengleichen Vorjahressiegern aus der Schweiz.

Bartko stellte die eine Hälfte des Siegerteams, doch am Dienstagabend ging es nur um die andere Hälfte, um Erik Zabel. Als der 38-Jährige schließlich doch zur Siegerehrung gerollt kam, wusste er, bei wem er sich bedanken musste. Am Sonntag hatte er mit Magenproblemen gekämpft, „dass wir da eine Runde verloren haben, lag an mir. Der Sieg geht mindestens zu 60 Prozent an Robert“, sagte er, nachdem ihm der goldfarbene Siegerkranz übergestülpt worden war.

„Eine schöne Offerte, die ich aber nicht bestätigen kann“, sagte Robert Bartko gestern, nachdem die Ereignisse ein wenig verdaut waren. „Zu einem Team gehören immer zwei. und wir haben super zusammengearbeitet.“ Nach einem „holprigen Start“ habe Zabel im Finale „seine ganze Klasse gezeigt“. Dass dieser in dieser Berliner Nacht im Mittelpunkt stand, störte den Potsdamer überhaupt nicht. „Das steht ihm zu“, sagte Bartko, der das Berliner Sechstagerennen bereits zum zweiten Mal gewann. „Er ist einer der größten deutschen Rennfahrer und hat diesen Abschied verdient.“

Äußerlich hatte Zabel sich in der Gewalt, in ihm sah es anders aus. „Das war ein Tag wie in Trance. Ich stand neben mir und habe alles mit einer gewissen Distanz erlebt“, erzählte Zabel. Die sachlich klingende Stimme passte dazu, ebenso Fotos nach dem Sieg, die teilweise keinen jubelnden, sondern einen in sich gekehrten Erik Zabel zeigen. Er wirkt darauf, als habe er noch nicht begriffen, was eigentlich mit ihm passiert ist. Die Ereignisse des Abends, bei denen er sich in der Hauptrolle beobachten konnte, hatten sich perfekt gefügt. 400 Meter Luftlinie vom Velodrom entfernt wuchs Zabel auf, beim RC Rotation begann er als Zehnjähriger mit dem Radsport. Beim ersten Start bei Berlins Sixdays war ihm in den letzten Minuten der letzten Jagd der Sieg vergönnt. Ein ums andere Mal sprangen die Zuschauer brüllend von ihren Sitzen und setzten die Trillerpfeifen an den Mund, wenn Zabel an ihnen vorbeiraste.

Er war von den Fans begeistert, seine Kollegen von ihm. „Es ist bewegend, neben so einem Sportler die letzten Runden zu drehen. Ich bin froh, dass ich mein Versprechen gehalten habe“, sagte Bartko. Er hatte vor den Sixdays angekündigt, alles dafür zu tun, dass Zabel mit einem Sieg abtreten könne. Bruno Risi war noch auf der Bahn einer der ersten Gratulanten. „Ich gönne es Zabel von Herzen. Ich habe riesigen Respekt vor ihm“, sagt er. Später gab Verlierer Risi den Witzbold, während Sieger Zabel ganz ernst die Situation des Radsports in Deutschland analysierte. Ob er sich einen Rücktritt vom Rücktritt á la Lance Armstrong vorstellen könne? „Bitte nicht“, rief Risi mit gespieltem Entsetzen.

Zabel wird künftig als Sprinttrainer beim Team Columbia arbeiten. Während er morgen zur Katar-Rundfahrt fliegt, macht sich Bartko heute auf den Weg nach Kopenhagen zu den nächsten Sixdays. Gestern noch war Wäschewaschen angesagt, und auch der grippekranke Nachwuchs wollte seinen Vater für sich haben. Normalität vor der nächsten Aufgabe des Radprofis. Den Fahrer Erik Zabel gibt es indes nicht mehr. Der Trainer hat die Arbeit aufgenommen.

Helen Ruwald, Henner Mallwitz

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