Homepage: Ein typischer Schreibtischtäter Buch über Hitlers Chefideologen Alfred Rosenberg
Wer an den Nationalsozialismus denkt, wird schnell auf Hitler, Goebbels oder Eichmann stoßen. Ob fanatische Ideologen, Technokraten oder Zyniker der Macht, an finsteren Gestalten mangelte es dem Nationalsozialismus nicht.
Stand:
Wer an den Nationalsozialismus denkt, wird schnell auf Hitler, Goebbels oder Eichmann stoßen. Ob fanatische Ideologen, Technokraten oder Zyniker der Macht, an finsteren Gestalten mangelte es dem Nationalsozialismus nicht. Doch bei nur wenigen zeigte sich das Böse so radikal wie bei jenem Mann, der vielen als Hitlers Chefideologe gilt: Alfred Rosenberg. Im Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) wurde unlängst eine neue Biographie zu diesem fast in Vergessenheit geratenen Deutschbalten an der Seite Hitlers präsentiert.
Ernst Piper, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ), hat sich mit seinem Buch „Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe“ an der Universität Potsdam habilitiert. Nach seiner Promotion 1981 hatte Piper jahrelang im gleichnamigen Verlag seines Vaters gearbeitet. Seit 2003 ist er Gesellschafter der literarischen Agentur Piper & Poppenhusen.
Wer war Alfred Rosenberg? Bisher haben ihn gängige Werke zur Geschichte des Nationalsozialismus fast gänzlich ausgespart, obwohl Rosenberg als eine der Schlüsselfiguren für die Ausbreitung der nationalsozialistischen Ideologie gilt. In seiner Laudatio würdigte Prof. Manfred Görtemaker von der Uni Potsdam dann auch Pipers Verdienst, mit der Biographie diese Lücke in der NS-Forschung geschlossen zu haben. Rosenberg, der zwei Jahre in Moskau studierte und fließend russisch sprach, war geprägt von arischem Überlegenheitsgefühl und Judenhass. Eine maßgeblich Rolle spielte dabei offenbar sein baltendeutscher Hintergrund. Vor allem in der Frühzeit der NSDAP zwischen 1919 und 1923 übte er mit seinem extrem antimodernen Weltbild einen großen Einfluss auf die entstehende nationalsozialistische Bewegung aus. Mit seinen unzähligen Schriften trug er dann wesentlich zur Popularisierung der nationalsozialistischen Ideologie in der Weimarer Republik bei.
So wichtig er für den Aufstieg der NSDAP war, Rosenberg trat ausgerechnet dann in den Hintergrund, als die Partei an die Macht kam. Er avancierte, so sein Biograph, zum typischen „Schreibtischtäter“. Für die pragmatischen Notwendigkeiten der Macht fehlte dem fanatischen Ideologen das politische Gespür. Rosenberg habe lieber Denkschriften verfasst. Als Herausgeber wichtiger nationalsozialistischer Periodika, wie dem „Völkischen Beobachter“, übte er jedoch auch weiterhin einen nicht zu unterschätzenden Einfluss aus. Zudem unterstanden ihm eine Reihe von Organisationen wie der „Kampfbund deutsche Kultur“, der „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“ oder das nach ihm benannte „Amt Rosenberg“. Er hatte, so Piper, „überall seine Hände im Spiel“.
Mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion und dem Beginn des Unternehmens „Barbarossa“ schlug Rosenbergs große Stunde: Als „Reichsminister für die besetzten Ostgebiete“ konnte er nun aktiv jenen barbarischen Vernichtungskrieg gegen den „jüdisch-bolschewistischen“ Feind führen, den er stets in aller Schärfe propagierte. Und wohl nicht zufällig war er einer der ersten, der noch vor der berüchtigten Wannsee-Konferenz im November 1941 von der biologischen Ausmerzung des Judentums sprach.
Ernst Pipers hervorragende Biographie zeige, so Görtemaker, dass Rosenberg wie kaum ein anderer das „Böse vorangetrieben“ habe. Carsten Dippel
Ernst Piper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe Blessing Verlag 832 S., 26 Euro, ISBN 3-89667-148-0
Carsten Dippel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: