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Landeshauptstadt: Ein warmes Plätzchen für den König

Potsdams Schauspielhaus wirkte von außen prächtig. Innen aber hatte die Kanaloper viele Mängel

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Wer heute vor dem 17-geschossigen Hochhaus Am Kanal 7 steht, kann sich kaum vorstellen, dass hier einmal eines der prächtigsten Theater Potsdams stand: Nichts weist mehr auf das Königliche Schauspielhaus Potsdam hin, dessen Ruine 1966 abgerissen wurde. Doch die Erinnerung an diese „Perle des preußischen Frühklassizismus“ sei nach wie vor vorhanden, meint der Berliner Theaterwissenschaftler Wolfgang Jansen. Am Mittwoch gab er in einem Vortrag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte Einblicke in die Geschichte des Gebäudes.

Erbaut worden war das Schauspielhaus 1795 von König Friedrich Wilhelm II. Es gab zwar schon zwei Theater in der Stadt, die jedoch dem Adel vorbehalten waren. Das Königliche Schauspielhaus sollte – trotz des royalen Zusatzes im Namen – ein Theater für die Bürger sein, was auch die Giebel-Inschrift „Dem Vergnügen der Einwohner“ unterstrich.

Wie wenig ernst dies gemeint war, ließ sich schon daraus ersehen, dass die Königsloge der einzig beheizte Bereich im Haus war. Nicht-adlige Zuschauer saßen im Parkett auf unbequemen Holzbänken, das Geschehen auf der Bühne spielte sich aufgrund der architektonischen Gestaltung weit hinten im Raum ab. „Die Bühne ist aus der Perspektive der Königsloge aus gebaut worden“, sagt Jansen.

Vom Vordereingang ging es direkt ins Treppenhaus, ein Foyer oder gar öffentliche Toiletten gab es nicht. Zudem waren weder Hinter- noch Seitenbühne vorhanden; Kulissen mussten im Freien gelagert und in Umbaupausen von außen nach innen transportiert werden. Ein 35 Meter langer Erweiterungsbau, der bereits ein Jahr später angefügt wurde, war ebenfalls nicht ganz durchdacht: Zwischen Konzertsaal und Hauptgebäude bestand kein Durchgang, Besucher mussten um das Gebäude herumlaufen.

Zudem hatte das Schauspielhaus nur einen Ein- und Ausgang für die rund 700 Besucher des Theaters, sodass Gedränge vorprogrammiert war. Bald wurde ein extra Aufgang zur Königsloge errichtet – nicht aus Sicherheitsgründen, sondern weil der Adel sich nicht mit dem Plebs durch den gleichen Eingang drängeln wollte, verrät Jansen.

Überhaupt die Sicherheit: Erst ab 1880 begann die Elektrifizierung des Theaters, zuvor wurde mit Kerzen und Gas beleuchtet, was die Brandgefahr erhöhte. „Dieses Gebäude entsprach nie den Sicherheitsvorschriften, es existierte bis zum Schluss unter Sondergenehmigungen“, sagt Jansen. Viele Mängel wurden erst 1929 behoben, als das Schauspielhaus zwei nüchterne Seitenanbauten erhielt. Erstmals gab es nun Toiletten, eine Garderobe und eine Drehbühne. Der Konzertsaal wurde zum Foyer, allerdings erst nach aufwendiger Restaurierung, denn der Raum war jahrelang als Werkstatt der Bühnenbauer genutzt worden.

Auch der Spielbetrieb gestaltete sich von Anfang an schwierig: „In den ersten 40 Jahren wurde das Haus nur unregelmäßig bespielt“, sagt Jansen. Es gab weder feste Intendanten noch ein festes Ensemble, die Schauspieler reisten aus Berlin an. Ein dauerhafter Betrieb begann erst 1846 mit dem ersten privaten Leiter Ludwig Huth. Gespielt wurde eine Mischung aus „Kurzweil und Bildung“, so Jansen.

Unter der Leitung von Axel Delmar wurden in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg vermehrt patriotische Stücke gegeben. Als der Kaiser 1918 abdankte, ließ Delmar schnell das „Königlich“ aus dem Namen des Schauspielhauses streichen und biederte sich der neuen demokratischen Regierung an. Der Potsdamer Arbeiter- und Soldatenrat entließ den Leiter jedoch als „Gesinnungslump“. Nachfolger wurde der langjährige Berufssoldat Kurt Pehlemann, der kaum Theater-Erfahrung besaß.

Finanziell bedroht durch die Inflation ging Pehlemann ein ungewöhnliches Bündnis ein: Eine Kooperation mit dem sozialdemokratisch geprägten Zuschauer-Verband Volksbühne und dessen Konkurrenten, dem konservativen Bühnenvolksbund – mit beiden musste künftig jedes Stück abgestimmt werden. Auf dem Spielplan standen Lustspiele und Komödien, nach 1933 wurden Stücke im Sinne der Nazi-Ideologie aufgeführt.

1944 wurde der Spielbetrieb wegen der Kriegshandlungen eingestellt. Von der Bombardierung blieb das Haus zwar verschont, aber am 25. April 1945 brannte es durch sowjetischen Artilleriebeschuss aus. Ein Wiederaufbau wurde diskutiert, war aber umstritten. Das Schauspielhaus sei selbst nach der Zerstörung noch ein Bezugspunkt in der Stadt gewesen, so Jansen: „Das Frontportal, noch in seiner heruntergekommensten Form, beeindruckte.“ Das Einzige, was nach dem Abriss 1966 übrig blieb, ist das Bogenrelief über dem Eingang nach einem Entwurf von Johann Gottfried Schadow. Es befindet sich heute im Kronprinzenpalais Unter den Linden in Berlin.

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